Die „Neue‐Welt‐Übersetzung“ der Heiligen Schrift

Teil 4

7 Andere Themenkreise

7.1 Zur Unsterblichkeit der Seele

Die Zeugen Jehovas lehren:

Nach dem Tod lebt absolut nichts von uns weiter.
Wir haben keine unsterbliche Seele und keinen unsterblichen Geist.1

Wenn vom Menschen absolut nichts weiterlebt, dann kann es keine Auferstehung geben. Nach der Lehre der Wachtturm‐Gesellschaft bewahrt Gott das Wissen um den Menschen in seinem Gedächtnis und kann in so auch wieder auferwecken. Wenn es aber keinen bleibenden Zusammenhang zwischen dem verstorbenen und dem auferstandenen Menschen gibt, können wir auch nicht sagen, dass Gott diesen Menschen auferweckt. Dann schafft Gott einen Menschen neu, der Wesensmerkmale des früheren Menschen trägt, der aber nicht derselbe Mensch ist.

Auf dem Hintergrund dieser Lehre wollen wir uns folgende Stellen aus der NWÜ näher anschauen:

Lukas 23,43:
NWÜ: Und er sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradies sein.“

ELB: Und er sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Es geht um die Bedeutung des Wortes „heute“. Wollte Jesus dem mit ihm gekreuzigten Aufständischen sagen, dass dieser noch am selben Tag mit Jesus im Paradies sein werde, oder wollte Jesus betonen, dass er am Tage seiner Kreuzigung dem Mitgekreuzigten das Paradies verheißt, mit dem er gemeinsam mit Jesus sein werde?2 Wenn es kein Weiterleben nach dem Tod gibt, kann es doch nicht sein, dass jemand schon vor dem Tag der Auferweckung, noch am Tage seines Todes, schon im Paradies ist. Deswegen blieb den Übersetzern der NWÜ gar keine andere Wahl als so zu übersetzen, wie sie es taten.

Die ältesten griechischen Handschriften kennen keine Satzzeichen. Daher ist die Setzung von Satzzeichen eine Frage der Interpretation. Die Formulierung „Wahrlich, ich sage dir/euch […]3 kommt in den Evangelien im Munde Jesu überaus häufig vor. Kein einziges Mal allerdings mit einer Angabe über den Zeitpunkt des Gesagten. Es legt sich daher nahe, so zu übersetzen, wie es die Elberfelder Bibel und praktisch alle anderen Übersetzungen auch tun.

Johannes 11,25:
NWÜ: Jesus sprach zu ihr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer Glauben an mich ausübt, wird zum Leben kommen, auch wenn er stirbt; […]

KIT:Joh11_25

ELB: Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; […]

Auch die KIT schreibt klar: „he will live“ („er wird leben“). Jesus spricht davon, dass der an ihn Glaubende nach seinem Tode lebt, nicht, dass er irgendwann zum Leben kommen wird. Das wird auch durch Vers 26 bestätigt: […] und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. (ELB)

Matthäus 27,52–53:
NWÜ: Und die Gedächtnisgrüfte wurden geöffnet, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden aufgerichtet (und Leute, die nach seiner Auferweckung von den Gedächtnisgrüften herkamen, gingen in die heilige Stadt), und sie wurden vielen sichtbar.

KIT:Matt27_53

ELB: und die Grüfte öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt, und sie gingen nach seiner Auferweckung aus den Grüften und gingen in die heilige Stadt und erschienen vielen.

Wurden die Leiber der entschlafenen Heiligen auferweckt? Oder gab es ein interessantes Phänomen, bei dem in Folge eines Erdbebens Leichen aufgerichtet wurden, die dann von den Menschen, die an den Gräbern vorbeigingen, gesehen wurden. Das griechische Wort egeiro hat im Zusammenhang mit Bauwerken auch die Bedeutung „aufrichten“, doch wenn es um verstorbene Menschen geht, hat es die Bedeutung „auferwecken“. Wollte Matthäus einfach ein gruseliges Detail im zeitgleichen Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu schildern, oder wollte er auf die heilsgeschichtliche Bedeutung der Erlösungstat Jesu hinweisen, durch die auch die Heiligen des Alten Bundes zur vollen Erlösung und zum Leben kommen?

7.2 Zur Frage der Hölle

Die Zeugen Jehovas lehnen die Existenz einer ewigen Hölle ab. Das Thema ist gewiss nicht einfach. Viele Menschen verbinden die Lehre mit einem Gottesbild, dem zufolge Gott den Menschen wie ein Folterknecht durch alle Ewigkeit Qualen zufügt. Dieses Gottesbild wird berechtigterweise abgelehnt. Aber heißt das, dass auch die Lehre von der Hölle abgelehnt werden muss, wie es Jehovas Zeugen tun?

Manche Bilder der Bibel wurden oft in diese falsche Richtung interpretiert. Die Hölle ist aber keine Folterkammer, in der Menschen auf dem Rost gebraten werden, sondern ist die ewige Finsternis, die sich die Menschen, die Gott ablehnen, selbst bereitet haben. Wer das Licht verwirft, dem bleibt nur die Finsternis. Das Feuer der Hölle ist das Feuer, das im Menschen brennt, wenn er mit seiner eigenen Schuld und Bosheit konfrontiert wird, die er nicht bereut hat und die er auch nicht sehen will, der er aber in aller Ewigkeit nicht ausweichen kann. Diese Qualen der Hölle sind eine Folge der freien Entscheidung des Menschen gegen Gott, eine Konsequenz seiner Bosheit. Vor diesem Hintergrund sind die Stellen, in denen die Bibel über die Hölle spricht, zu verstehen.

Doch nun zu einigen Stellen der NWÜ zu diesem Thema:

Matthäus 25,46:
NWÜ: Und diese werden in die ewige Abschneidung weggehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.“

KIT:Matt25_46

ELB: Und diese werden hingehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber in das ewige Leben.

Die Fußnote der NWÜ erklärt: „Beschneidung (Stutzung)“. Gr.: kólasin. Die englische Ausgabe von 2013 ergänzt in deren Fußnote noch, dass es um die Abschneidung vom Leben geht (also um die ewige Vernichtung).

Die NWÜ will mit ihrer Wiedergabe „Abschneidung“ zeigen, dass es keine ewige Strafe in dem Sinne gibt, dass jemand als ewig existierende Person die Folgen seiner Sünde zu tragen hat, sondern dass es hier um eine ewige Vernichtung geht.

Nach Bauers Wörterbuch hat kólasis die Bedeutung „Züchtigung, Strafe“.4 Eine eventuelle Bedeutung „Abschneidung“ wird nicht einmal andeutungsweise erwähnt. Zeugen Jehovas verweisen darauf, dass das Verb kolázo im klassischen Griechisch „beschneiden“ bedeute, was nicht bestritten werden kann. Allerdings kann man einerseits die tatsächliche Bedeutung eines Wortes nicht nur auf etymologischem Wege erfassen, andererseits hat auch das Verb kolázo in neutestamentlicher Zeit die Bedeutung „strafen, züchtigen“. Auch dieses Verb hat nie die Bedeutung „abschneiden“ im Sinne einer ewigen Vernichtung. Der Zusammenhang mit Vers 41 zeigt auch, dass es sich beim Feuer nicht um ein physisches Feuer zur Vernichtung der Materie handelt:

Dann wird er seinerseits zu denen zu seiner Linken sagen: ‚Geht weg von mir, ihr, die ihr verflucht worden seid, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist. (NWÜ)

Da Geistwesen wie der Teufel von einem materiellen Feuer keinen Schaden erleiden werden, kann hier nur die Qual der Gottesferne und der Konfrontation mit der eigenen Bosheit gemeint sein.

2. Petrus 2,9:
NWÜ: Jehova weiß Menschen von Gottergebenheit aus der Prüfung zu befreien, Ungerechte aber für den Tag des Gerichts zu ihrer Abschneidung aufzubehalten,

KIT:2Pet2_9

ELB: der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren für den Tag des Gerichts, wenn sie bestraft werden;

Petrus führt hier nicht aus, welcher Art diese Strafe ist. Die Übersetzung von kolázo mit „strafen“ wäre insofern für die Zeugen Jehovas kein Problem. Nur um der inneren Logik ihrer Übersetzung willen müssen sie auch hier das Wort „Abschneidung“ einführen.

In Apostelgeschichte 4,21 bleibt allerdings auch der NWÜ keine andere Wahl, als mit „bestrafen“ zu übersetzen, der Zusammenhang erlaubt hier die Wiedergabe mit „abschneiden“ einfach nicht: Als man ihnen dann weiter gedroht hatte, ließ man sie frei, weil man keinen Grund fand, aus dem man sie hätte bestrafen können, […]

Matthäus 24,50–51:NWÜ: […] wird der Herr jenes Sklaven an einem Tag kommen, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn mit der größten Strenge bestrafen und wird ihm sein Teil mit den Heuchlern zuweisen. Dort wird [sein] Weinen und [sein] Zähneknirschen sein.

KIT:Mat24_51

ELB: […] so wird der Herr jenes Knechtes kommen an einem Tag, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn entzweischneiden und ihm sein Teil festsetzen bei den Heuchlern; da wird das Weinen und das Zähneknirschen sein.

Das griechische Wort dichotomeo bedeutet laut Bauer5 „mitten entzweischneiden“, nicht aber „mit der größten Strenge bestrafen“. Das Wort hat hier natürlich nur eine bildliche Bedeutung. Das „Weinen und Zähneknirschen“ weist auch darauf hin, dass die Strafe nicht die Vernichtung ist. Vernichtete können nicht mehr weinen.

Offenbarung 19,20:
NWÜ: Und das wilde Tier wurde gefaßt und mit ihm der falsche Prophet, der vor ihm die Zeichen tat, durch die er die irreführte, welche das Kennzeichen des wilden Tieres empfingen, und die, die seinem Bild Anbetung darbringen. Noch lebendig wurden sie beide in den Feuersee geschleudert, der mit Schwefel brennt.

KIT:Off19_20

ELB: Und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet – der mit ihm war und die Zeichen vor ihm tat, durch die er die verführte, die das Malzeichen des Tieres annahmen und sein Bild anbeteten -, lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt.

Die NWÜ fügt vor dem Wort „lebendig“ noch ein „noch“ ein, um damit ihre Vernichtungstheorie zu stützen. Im Griechischen findet sich das Wort „noch“ nicht.

7.3 „Glauben“ oder „Glauben ausüben“?

Johannes 14,1:
NWÜ: „Euer Herz werde nicht beunruhigt. Übt Glauben aus an Gott, übt auch Glauben aus an mich. […]

KIT:Joh14_1

ELB: Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich!

Wir haben diese Stelle nur als ein Beispiel unter etlichen ausgewählt, an denen die NWÜ das griechische Wort pisteuo durch „Glauben ausüben“ wiedergibt. Nun ist es ohne Zweifel wichtig, nicht nur einen theoretischen Glauben zu haben, da der Glaube ohne Werke nutzlos6 ist (Jakobus 2,20). Aber „Glaube“ ist nicht nur das Ausüben von Vorschriften und Geboten. Glaube ist zuerst einmal Vertrauen. Ein glaubender Mensch vertraut Gott sein ganzes Leben an. In Johannes 14 wollte Jesus in dieser konkreten Situation die Jünger dazu ermuntern, ihm und dem Vater zu vertrauen. Auch wenn es äußerlich schien, als ob Jesus gescheitert wäre, sollten die Jünger in ihrem Vertrauen unerschütterlich bleiben. Die Formulierung „Glauben ausüben“ drückt das nicht aus.

Wenn Jesus in Lukas 8,50 zum Synagogenvorsteher, dessen Tochter gestorben war, sagt: Fürchte dich nicht, glaube nur! Und sie wird gerettet werden. (ELB), so ist das etwas anderes als: „Fürchte dich nicht, bekunde nur Glauben, und sie wird gerettet werden.“ (NWÜ). Es geht hier nicht um die Äußerungen des Synagogenvorstehers, sondern um seine Haltung Gott gegenüber.

Unser Glaube an Gott besteht zuerst einmal aus einer vertrauensvollen Beziehung. Aus dieser Beziehung heraus erwachsen dann auch die Werke. Ein „nicht ausgeübter“ Glaube ist ohnehin kein Glaube.

7.4 „Erkennen“ oder „Erkenntnis in sich aufnehmen“?

Johannes 17,3:
NWÜ: Dies bedeutet ewiges Leben, daß sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über den, den du ausgesandt hast, Jesus Christus.7

KIT:Joh17_3

ELB: Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

Wie die Wachtturmgesellschaft das versteht, wird in einem Artikel im Wachtturm vom 1. Juni 2012 auf Seite 9 erklärt:

„Dies bedeutet ewiges Leben“

„Dies bedeutet ewiges Leben, dass sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über den, den du ausgesandt hast, Jesus Christus“ (JOHANNES 17:3)

WISSEN kann Leben retten. Die Mutter des 10 Monate alten Nouhou ist Gesundheitshelferin in einem Dorf im Niger. Als der Kleine krank wurde, wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie bereitete eine Rehydrationslösung aus Zucker, Salz und sauberem Wasser vor und gab sie ihm zu trinken. Durch ihre „schnelle Reaktion und den Zugang zu medizinischer Versorgung vor Ort hatte ihr Kind die Krankheit bald überstanden“, hieß es in einem Bericht der UNICEF.

Auch Bibelwissen kann Leben retten. …

Bis hierher haben wir gesehen, dass die Bibel ein unvergleichliches Buch ist: Ihre Prophezeiungen sind zuverlässig, sie ist historisch und wissenschaftlich genau, in sich stimmig und ein gutes Handbuch fürs Leben. Das alles drückt ihr den Stempel der Einzigartigkeit auf. Wenn dieses Buch nun von sich behauptet, uns den Weg zu einem längeren Leben — ja zu ewigem Leben — zu zeigen, verdient es da nicht besondere Aufmerksamkeit?

Wir möchten Ihnen ans Herz legen, sich einmal genauer damit zu befassen, wie ein fundiertes Bibelwissen zu innerem Frieden und einer glücklichen Zukunft führen kann. Jehovas Zeugen zeigen Ihnen gern, wie man sich dieses Wissen aneignet.

In der Bibel geht es nicht nur um das Wissen. Es geht um eine Beziehung. Ewiges Leben besteht darin, dass wir den Vater und seinen ewigen Sohn kennen, eine tiefe ungestörte Beziehung zu Gott haben. Wir wissen um den Wert fundierter Bibelkenntnisse. Doch dieses Wissen allein, auch wenn wir es „fortwährend in uns aufnehmen“, ist nicht das ewige Leben. Das ist vielleicht eines der Hauptprobleme, das die Übersetzer der NWÜ hatten. Da ihnen diese tiefe Beziehung zu Gott fehlte, die in der Bibel durch das Wort „Erkenntnis“ ausgedrückt wird, konnte es ihnen nur mehr um äußerliches intellektuelles Wissen gehen, das man sich durch Studium aneignen kann.

7.5 „In“ oder „in Verbindung mit“?

Die griechische Präposition en wird von den meisten Übersetzern mit dem deutschen Äquivalent „in“ wiedergegeben. Dieses kurze griechische Wort hat einen großen Bedeutungsumfang und wird deshalb an manchen Stellen anders wiedergegeben. Wir wollen uns hier auf die besonders bei Johannes und Paulus häufig vorkommenden Wendungen wie „im Vater“, „im Sohn“, „in Christus“ beschränken. Die Übersetzer hatten eine Scheu, diese Wendungen so einfach wiederzugeben und haben versucht, das durch Umschreibungen wie „in Verbindung mit“ auszudrücken, was aber zu einer Verkürzung dessen führt, was Jesus oder Paulus sagen wollten. Wir werden uns auf wenige Beispiele beschränken.

Johannes 13,31:
NWÜ: Als er nun hinausgegangen war, sprach Jesus: „Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in Verbindung mit ihm verherrlicht. […]

KIT:Joh13_31

ELB: Als er nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm.

Vielleicht war es nur als eine „erklärende Übersetzung“ gemeint. Es ist aber ein großer Unterschied, ob Gott „in Verbindung mit“ Jesus verherrlicht ist, oder „in“ ihm. Jesus wollte nicht nur sagen, dass Gott irgendwie mit ihm verbunden ist. Jesus war mit seinem ganzen Sein IM Vater begründet, und alles, was er tat, war IN Gott getan. Hier drückt dieses in“ eine Tiefe der Beziehung aus, die durch die Formulierung der NWÜ verflacht.

Johannes 14,11:
NWÜ: Glaubt mir, daß ich in Gemeinschaft mit dem Vater bin und der Vater in Gemeinschaft mit mir ist; sonst glaubt um der Werke selbst willen.

KIT:Joh14_11

ELB: Glaubt mir, dass ich in dem Vater bin und der Vater in mir ist; wenn aber nicht, so glaubt um der Werke selbst willen!

„Im Vater“ sein ist mehr als nur „in Gemeinschaft mit ihm“ sein!

Johannes 14,20:
NWÜ: An jenem Tag werdet ihr erkennen, daß ich in Gemeinschaft bin mit meinem Vater und ihr in Gemeinschaft seid mit mir und ich in Gemeinschaft bin mit euch.

KIT:Joh14_20

ELB: An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.

Auch die Tiefe der Gemeinschaft Jesu mit uns wird durch das Wort „in“ viel stärker ausgedrückt als mit der Formulierung „in Gemeinschaft mit“. Jesus ist dem Christen ganz nahe, so nahe, dass wir sagen können, dass er in uns ist.

Galater 2,20:
NWÜ: […] Nicht mehr ich bin es, der lebt, sondern Christus ist es, der in Gemeinschaft mit mir lebt. Tatsächlich lebe ich das Leben, das ich jetzt im Fleische lebe, durch den Glauben gegenüber dem Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat.

KIT:Gal2_20

ELB: […] und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben, und zwar im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.

Liegt es vielleicht daran, dass Zeugen Jehovas diese tiefe direkte Beziehung zu Jesus fehlt, dass sie zu dieser verflachenden Wiedergabe kommen?

7.6 „Parousía“ – Kommen oder Gegenwart?

Seit den Anfängen von Charles Taze Russell, dem Gründer der Bewegung der Bibelforscher, war für ihn die Wiedergabe des griechischen Wortes parousía mit „Gegenwart“ ein wichtiger Grundstein seiner Lehre. Schon in seiner ersten Schrift, The Object and Manner of Our Lord‚s Return im Jahre 1877, war das eine wichtige Erkenntnis (ab S. 51). Dieser Punkt blieb bis heute für die Wachtturmgesellschaft von grundlegender Bedeutung wie Appendix 5B aus der Studienausgabe der NWÜ und der Artikel „Gegenwart“ in Einsichten über die Heilige Schrift, S.832–836 zeigen. Der Unterschied zwischen Russell und den Zeugen Jehovas8 besteht nur darin, dass Russell davon überzeugt war, dass die Gegenwart Jesu schon im Jahre 1874 begonnen hatte und es 19149 „keine Welt‐ oder Nationenherrschaft mehr geben wird„10, während die späteren Zeugen Jehovas nach dem für Außenstehende nicht überraschenden Ausbleiben der von Russell errechneten Ereignisse das Jahr 1914 als Anfangspunkt der unsichtbaren Gegenwart Jesu annehmen.11

Für die Wachtturm‐Gesellschaft ist die wichtigste Stelle in diesem Zusammenhang
Matthäus 24,3:
NWÜ: Als er auf dem Ölberg saß, traten die Jünger allein zu ihm und sprachen: „Sag uns: Wann werden diese Dinge geschehen, und was wird das Zeichen deiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge sein?“

ELB: Als er aber auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger für sich allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?

Dass das Wort parousía die Bedeutung „Gegenwart“ hat, steht außer Zweifel. Aber genauso steht außer Zweifel, dass es sich auch auf das „Kommen“ beziehen kann, mit dem eine „Gegenwart“ beginnt.

So schreibt Paulus etwa in 2. Korinther 7,5–7:

Denn auch als wir nach Mazedonien kamen, hatte unser Fleisch keine Ruhe, sondern in allem waren wir bedrängt; von außen Kämpfe, von innen Ängste. Aber der die Niedrigen tröstet, Gott, tröstete uns durch die Ankunft des Titus; doch nicht nur durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost, womit er bei euch getröstet worden ist, denn er berichtete uns eure Sehnsucht, euer Wehklagen, euren Eifer für mich, so dass ich mich noch mehr freute.

Vor der Ankunft des Titus war Paulus unruhig und bedrängt. Durch seine Ankunft (und natürlich auch seine darauf folgende Gegenwart) wurde er dann getröstet.

Ebenso Philipper 1,26:

[…] damit euer Rühmen überreich werde in Christus Jesus durch mich bei meiner Rückkehr zu euch.

Für „Rückkehr“ steht im Griechischen wörtlich: „Wieder‐Ankunft“. Durch diese hoffte Paulus, wieder bei den Philippern zu sein.

Was die Gegenwart Jesu betrifft, so haben wir klare Verheißungen Jesu, die nicht erst seit 1914 gelten:

Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte. (Matthäus 18,20 NWÜ)

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Abschluß des Systems der Dinge. (Matthäus 28,20b NWÜ)12

Als Antwort sprach Jesus zu ihm: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. (Johannes 14,23 NWÜ)

Jesus und der Vater nehmen Wohnung bei jedem, der Jesus liebt und sein Wort hält, nicht erst seit 1914.

Auch die folgenden Aussagen der Heiligen Schrift haben nur Sinn, wenn Jesus gegenwärtig ist:

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. (Johannes 15,5)

[…] und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir. (Galater 2,20a)

Ihnen wollte Gott zu erkennen geben, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Nationen sei, und das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. (Kolosser 1,27)

Auch dass Jesus erst 1914 die Königsherrschaft angetreten habe, widerspricht der Bibel:

[…] und nachdem er eine Reinigung für unsere Sünden herbeigeführt hatte, setzte er sich zur Rechten der Majestät in den Höhen. (Hebräer 1,3 NWÜ)

Die Reinigung für unsere Sünden war durch seinen Tod und seine Auferstehung, also schon im Jahre 30 (oder 33 nach der Chronologie der Wachtturmgesellschaft), nicht erst 1914.

Er hat uns von der Gewalt der Finsternis befreit und uns in das Königreich des Sohnes seiner Liebe versetzt, […] (Kolosser 1,13 NWÜ)

Die Christen des ersten Jahrhunderts befanden sich schon im Königreich Jesu, lange vor 1914.

Wer siegt, dem will ich gewähren, sich mit mir auf meinen Thron zu setzen, so wie ich gesiegt und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. (Offenbarung 3,21 NWÜ)

Diese werden mit dem Lamm Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; denn es ist Herr der Herren und König der Könige, und die mit ihm sind, sind Berufene und Auserwählte und Treue. (Offenbarung 17,14)13

Auch alle Stellen, die über die Erhöhung Jesu zum Vater sprechen, bezeugen seine königliche Macht nicht erst seit 1914:

Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dieses ausgegossen, was ihr seht und hört. (Apostelgeschichte 2,33)

Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9–11)

Auch Satan wurde nicht erst 1914 besiegt, sondern bereits durch das öffentliche Wirken und den Tod und die Auferstehung Jesu Christi:

Darauf sagte er zu ihnen: „Ich sah den Satan wie einen Blitz bereits aus dem Himmel gefallen. (Lukas 10,18 NWÜ)

Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Dämọnen austreibe, so hat das Königreich Gottes euch wirklich eingeholt. Wenn ein starker, gutbewaffneter Mann seinen Palast bewacht, bleibt seine Habe in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer als er gegen ihn herankommt und ihn besiegt, nimmt er ihm seine volle Rüstung weg, auf die er vertraute, und er teilt die Dinge aus, die er von ihm erbeutet hat. (Lukas 11,20–22 NWÜ)

Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. (Johannes 12,31 NWÜ)

[…] dann hinsichtlich Gericht, weil der Herrscher dieser Welt gerichtet worden ist. (Johannes 16,11 NWÜ)

Die Regierungen und die Gewalten entblößend, stellte er sie als besiegt in der Öffentlichkeit zur Schau und führte sie […] im Triumphzug einher. (Kolosser 2,15 NWÜ)

Wenn nun Jesus nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift bereits seit den Anfängen der Christenheit unsichtbar unter uns gegenwärtig ist, und wenn er den Satan durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferweckung besiegt hat, wenn er schon mit seiner Erhöhung nach seinem Tod seine Königsherrschaft angetreten hat, was soll sich dann nach der Lehre der Zeugen Jehovas im Jahre 1914 zugetragen haben?

Für uns gilt dasselbe, was auch für die Christen im 1. Jahrhundert galt, was wir auch im Hebräerbrief ausgedrückt finden:

Denn indem er ihm alles unterwarf, ließ er nichts übrig, das ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen. (Hebräer 2,8)

Wenn ihm dann bei seiner Wiederkunft alles unterworfen sein wird, wird das unübersehbar sein.

Im Appendix 5B der Studienausgabe der NWÜ findet sich auch folgender Absatz:

Ebenfalls bestätigt Bauer, Sp. 1249,14 daß parousía „zum offiz[iellen] Ausdruck für den Besuch hervorragender Amtsträger, bes[onders] auch v[on] Königen und Kaisern in der Provinz“, wurde. In Mat 24:3, wie auch in anderen Texten wie 1Th 3:13 und 2Th 2:1, bezieht sich das Wort parousía auf die königliche Gegenwart Jesu Christi seit seiner Einsetzung als König in den letzten Tagen dieses Systems der Dinge.

Dieses Zitat ist einerseits korrekt, aber insofern irreführend, als nur der erste Satz ein Zitat aus Bauers Wörterbuch ist. Jemandem, der nicht genau auf die Anführungszeichen achtet, wird der Eindruck vermittelt, dass auch die darauf folgende Ausführung noch von Bauer ist.

Der Vollständigkeit halber wollen wir ergänzen, was Bauer in derselben Spalte zum Stichwort parousía noch schreibt:

v[on] Christus, und zwar beinahe immer v[on] der messianischen Ankunft des Verklärten zum Gericht am Ende dieses Aeons: Mt 24,3, […] 1 Kor 15,23; 2 Th 2,8; 2 Pt 3,4; 1 J 2,28; […]

Wenn laut Bauer parousía für den Besuch „hervorragender Amtsträger“ verwendet wurde, spricht das eher für die Übersetzung mit „Kommen“, „Ankunft“, da Staatsbesuche in der Regel nur eine kurze Zeit dauern. Allerdings halten wir daran fest, dass, wenn Jesus sichtbar kommen wird, er für alle Ewigkeit bei den Seinen bleiben wird, bzw. die Seinen bei ihm.

Unseres Wissens war Benjamin Wilson mit seiner Interlinearausgabe „Emphatic Diaglott“ aus 1864 der erste, der parousía konsequent mit „presence“ („Gegenwart“) wiedergegeben hat. Alle Übersetzer vor ihm haben die konkrete Bedeutung des Wortes aus dem Zusammenhang erschlossen und in Matthäus 24,3 mit „Ankunft“ oder „Kommen“ übersetzt.

Zum Verständnis von Matthäus 24,3 ist es gut, auch die Parallele in Markus 13 zu berücksichtigen, da beide Stellen über dasselbe konkrete Gespräch Jesu mit vier seiner Jünger handeln. In Markus 13,4 lautet die Frage dieser Jünger, nachdem Jesus die Zerstörung des Tempels in Jerusalem angesprochen hatte:

Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen, wann dies alles vollendet werden soll?

Jesus spricht dann über verschiedene Ereignisse, die der Tempelzerstörung vorausgehen sollten. Wir wollen hier nicht auf die Details eingehen, sind aber gerne bereit, interessierten Lesern mehr darüber zu schreiben.

Bedeutsam sind dann noch die Verse Markus 13,30–32:

Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles dies geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater.

Jesus macht hier einerseits eine sehr konkrete Aussage, nämlich, dass „alles dies“ innerhalb einer Generation geschehen werde, andererseits gibt er eine völlig offene Erklärung zu „jenem Tag“ ab, nämlich, dass niemand weiß, nicht einmal er selbst (als Mensch auf Erden), wann dieser Tag sein werde. Der jüdische Tempel in Jerusalem wurde tatsächlich im Jahre 70, vierzig Jahre nachdem Jesus dies angekündigt hatte, zerstört. Der Tag seiner Wiederkunft ist noch nicht geschehen. Kein Mensch weiß und kann es wissen, wann dieser Tag sein werde.

Wenn wir von Markus 13 wieder zu Matthäus 24 zurückkehren, so müssen wir die Frage der Jünger in Matthäus 24,3 als Parallele zu Markus 13,4 verstehen. Die Jünger wollten wissen, wann der Tempel zerstört werden würde, und was die Vorzeichen dieses Ereignisses sein werden. Mit der Tempelzerstörung wurde ein Zeitalter abgeschlossen, das Zeitalter des Gesetzes mit dem Tempelkult, wie es auch in Hebräer 8,13 heißt:

Indem er von einem „neuen“ Bund spricht, hat er den ersten für veraltet erklärt; was aber veraltet und sich überlebt, ist dem Verschwinden nahe.

Im direkten Zusammenhang spricht Matthäus 24,3 also vom Kommen Jesu, des Menschensohnes als Richter über sein Volk. Die Zerstörung des Tempels war das Gericht Gottes, das durch die Hand der Römer ausgeführt wurde. Es ist eingetroffen, was in Maleachi 3,24 als Befürchtung geäußert wurde:

Und er (Elia) wird das Herz der Väter zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern umkehren lassen, damit ich nicht komme und das Land mit dem Bann schlage.

Da sich das Volk Israel weder durch Elia (in der Person Johannes des Täufers) noch durch den nach ihm kommenden Herrn (Jesus) zur Umkehr bewegen ließ, wurde das Land in den Bann geschlagen. Die Vorzeichen dieses Kommens zum Gericht finden wir in Matthäus 24,4–28.

Matthäus 24 spricht aber auch von dem für alle sichtbaren Kommen Jesu am Ende der Zeiten. Hier heißt es aber wieder ganz klar:

Von jenem Tag aber und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel in den Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein. (Matthäus 24,36)

Damit schiebt Jesus jedem Versuch, den Tag oder auch nur die ungefähre Zeit seiner Wiederkunft (oder „Gegenwart“) berechnen zu wollen, einen Riegel vor.15

Für alle, die sich diesen Worten Jesu wiedersetzen und meinen, trotzdem „prophetische“ Aussagen über den Tag Jesu treffen zu müssen treffen die Worte aus 5. Mose 18,20–22 zu:

Doch der Prophet, der sich vermessen sollte, in meinem Namen ein Wort zu reden, das ich ihm nicht befohlen habe zu reden, oder der im Namen anderer Götter reden wird: dieser Prophet muss sterben. Und wenn du in deinem Herzen sagst: „Wie sollen wir das Wort erkennen, das nicht der HERR geredet hat?“, wenn der Prophet im Namen des HERRN redet, und das Wort geschieht nicht und trifft nicht ein, so ist das das Wort, das nicht der HERR geredet hat. In Vermessenheit hat der Prophet es geredet; du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten.

Für die Sichtbarkeit des Kommens Jesu am Ende der Zeiten spricht nicht nur Matthäus 24,30b:

und sie werden den Menschensohn mit Macht und großer Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen. (NWÜ)

sondern auch folgende Stellen:

Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und vor ihm werden versammelt werden alle Nationen, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. (Matthäus 25,31–32)

[…] und sie sprachen: „Männer von Galilạ̈a, warum steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird so kommen, in derselben Weise, wie ihr ihn in den Himmel habt gehen sehen.“ (Apostelgeschichte 1,11 NWÜ)

[…] wenn er kommt, um an jenem Tag in seinen Heiligen verherrlicht und in allen denen bewundert zu werden, die geglaubt haben; […] (2. Thessalonicher 1,10)

7.7 Zum Herrenmahl

Matthäus 26,26–28:
NWÜ: Während sie weiteraßen, nahm Jesus ein Brot, und nachdem er einen Segen gesprochen hatte, brach er es, gab es den Jüngern und sagte: „Nehmt, eßt! Dies bedeutet meinen Leib.“ Auch nahm er einen Becher, und nachdem er Dank gesagt hatte, gab er ihnen diesen und sprach: „Trinkt daraus, ihr alle; denn dies bedeutet mein ‚Blut des Bundes‘, das zugunsten vieler zur Vergebung der Sünden vergossen werden wird.

KIT:Matt26_26

ELB: Während sie aber aßen, nahm Jesus Brot und segnete, brach und gab es den Jüngern und sprach: Nehmt, esst, dies ist mein Leib! Und er nahm einen Kelch und dankte und gab ihnen den und sprach: Trinkt alle daraus! Denn dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.

Zeugen Jehovas haben ein symbolisches Verständnis des Herrenmahles (bei ihnen „Gedächtnismahl“ genannt). Während andere Gruppierungen mit symbolischem Abendmahlsverständnis bei der wörtlichen Übersetzung „Dies ist mein Leib.“ (Vers 26) und „Dies ist mein Blut des Bundes.“ (Vers 28) bleiben, lautet die Wiedergabe der NWÜ: „Dies bedeutet meinen Leib.“ bzw. „Dies bedeutet mein ‚Blut des Bundes‘.“ Nun kann das griechische Wort estin auch die Bedeutung „bedeutet“ haben. Es gibt auch Stellen, wie etwa in Matthäus 13,38, wo in der Erklärung vom Gleichnis des Unkrauts im Acker man ohne Probleme statt mit: „Der Acker ist die Welt.“ auch mit „Der Acker bedeutet die Welt.“ übersetzen könnte. Interessanterweise lautet aber hier die NWÜ: „Das Feld ist die Welt.“

Den Übersetzern der NWÜ war sicher nicht unbekannt, dass es in verschiedenen Konfessionen verschiedene Auslegungen des estin in Mt 26,26 gibt. Da sie nicht die Wiedergabe „ist“ gewählt haben und so die Interpretation dem Leser überlassen hätten, legt sich die Annahme nahe, dass sie mit der von ihnen gewählten Version die Auslegung der Wachtturmgesellschaft unterstützen wollten.

Wir haben hier nur die Stelle bei Matthäus angeführt. Derselbe Fall liegt auch bei den Parallelen in Markus 14,22–24; Lukas 22,19–20 und 1 Korinther 11,23–25 vor.

7.8 Kreuz oder Marterpfahl?

Für Leser herkömmlicher Übersetzungen wirkt die Verwendung des Wortes „Marterpfahl“ für das üblicherweise mit „Kreuz“ wiedergegebene griechische Wort staurós auf den ersten Blick befremdlich. Nun ist die Frage nach der genauen Hinrichtungsart Jesu nicht besonders wesentlich. Da diese Frage den Übersetzern der NWÜ doch wichtig war und sie ihre Übersetzung im Appendix 5C der Studienausgabe der NWÜ begründen, wollen wir uns auch mit dieser Frage beschäftigen.

Einleitend wollen wir daran festhalten dass für Charles Taze Russell, den Begründer der Bibelforscherbewegung, deren Hauptzweig sich später „Zeugen Jehovas“ nannte, diese Frage nicht existierte und dass jahrzehntelang das Zeichen dieser Bewegung das von einer Krone umgebene Kreuz war, wie folgende Abbildung aus dem Titelblatt des Wachtturms vom Januar 1904 zeigt:

Logo Bibelforscher WT1904

Den Zeugen Jehovas ist zuzustimmen, dass das Wort staurós im klassischen Griechisch seit Homer einen „aufrecht stehenden spitzen Pfahl„16 bedeutete. Da Jesus aber von einem römischen Gericht zum Tode verurteilt wurde, und dieses Urteil durch römische Soldaten exekutiert wurde, stellt sich die Frage nicht so sehr nach dem klassisch griechischen Wortgebrauch, sondern nach der römischen Hinrichtungspraxis.

Laut Walter Bauer erwähnt im 2. Jahrhundert nach Christus Artemidoros 2,53, dass am oberen Ende des senkrechten Pfahls häufig ein Querbalken befestigt war. Detaillierte Information über den Vorgang dieser schrecklichen Todesstrafe findet man im Wikipedia‐Artikel zum Thema Kreuzigung und auch im Artikel Crux in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Auch der Fund eines Fersenknochens eines im 1. Jahrhundert in Palästina (Giv‐at ha‐Mivtar) gekreuzigten Juden spricht dafür, dass die Römer im ersten Jahrhundert die Kreuze mit einem Querbalken verwendet haben. Ferner zeigt das 1856 in Rom gefundene Spottkruzifix vom Palatin aus dem 2./3. Jahrhundert, in dem vermutlich der christliche Sklave Alexamenos dafür verspottet wird, dass er einen Gekreuzigten, der hier mit einem Eselskopf dargestellt wird, als Gott anbetet, dass es Kreuze mit Querbalken gab und Christen für die Verehrung eines Gekreuzigten verspottet wurden.17 Auch wenn die NWÜ eine aus einem Werk aus dem 17. Jahrhundert stammende Darstellung einer „crux simplex“ zeigt,18 ist die Ansicht, dass Jesus an einem Marterpfahl hingerichtet wurde, historisch und archäologisch betrachtet heute nicht mehr vertretbar.

Auch aus frühchristlichen Schriften geht eindeutig hervor, dass damals das Kreuz nicht als einfacher Balken aufgefasst wurde. Beispiele dafür finden sich in:
Barnabasbrief 9,12: Hier wird das Kreuz mit dem griechischen Buchstaben Tau verglichen.
Barnabasbrief 12,2: Hier wird der die Arme ausbreitende Mose mit dem Kreuz verglichen.
Ignatius an die Trallianer 11,2: Spricht von den „Ästen des Kreuzes“.
Justin, 1. Apologie 35: […] wohl aber hat Jesus Christus seine Hände ausbreiten müssen, als er von den Juden gekreuzigt wurde, […]
Justin, 1. Apologie 60: Vergleicht das Kreuz mit einem Chi.
Weitere Hinweise, die wir hier nicht detailliert anführen, finden sich auch in den Schriften von Tertullian.

Auch die biblischen Berichte unterstützen die Annahme, dass Jesus an ein Kreuz geschlagen wurde und nicht an einen Marterpfahl.

Johannes 19,17 (ebenso die Parallelen in den synoptischen Evangelien) spricht davon, dass Jesus sein Kreuz selbst getragen hat. Es legt sich hier nahe, dass Jesus nur den Querbalken, das sogenannte Patibulum, tragen musste, als den „Marterpfahl“, wie die NWÜ schreibt. Ein Pfahl, der so groß und tragfähig sein musste, dass er einen Menschen tragen kann, kann schon von einem gesunden Menschen nur mit Mühe getragen werden. Wie hätte das der durch die Geißelung geschwächte Jesus auch nur ein kleines Stück weit schaffen sollen?

Matthäus 27,37 (NWÜ): Auch brachten sie über seinem Haupt die Inschrift über die gegen ihn erhobene Beschuldigung an: „Dieser ist Jesus, der König der Juden.“

Wenn Jesus an einen Marterpfahl mit seinen Händen über seinem Haupt angenagelt worden wäre, würde da nicht eher stehen, dass die Inschrift über seinen Händen angebracht wurde?

Johannes 20,25 (NWÜ): Infolgedessen sagten die anderen Jünger zu ihm: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Er aber sprach zu ihnen: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Spur der Nägel sehe und meinen Finger in die Spur der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, will ich es bestimmt nicht glauben.“

Thomas spricht hier von der „Spur der Nägel“, nicht „des Nagels“. Wäre Jesus, so, wie häufig in Publikationen der Zeugen Jehovas dargestellt, mit beiden Händen über seinem Haupt angenagelt worden, wären beide Hände von einem einzigen Nagel durchbohrt worden.

Zusammenfassend können wir feststellen, dass weder die Bibel noch außerbiblische Zeugnisse für die Auffassung der Zeugen Jehovas, dass Jesus an einem Marterpfahl gestorben sei, sprechen, und dass wir daher andere Gründe im Hintergrund vermuten dürfen, wenn die NWÜ staurós mit „Marterpfahl“ wiedergibt. Diese Wiedergabe kann nicht durch den von ihnen angeführten Grund „Wir möchten dem geschriebenen Wort Gottes nichts hinzufügen, indem wir den heidnischen Begriff „Kreuz“ in die inspirierten Schriften aufnehmen würden […]“ gerechtfertigt werden, sondern entsprang vielleicht dem Wunsch, sich durch etwas Besonderes von allen anderen sich christlich nennende Gruppierungen zu unterscheiden. In heidnischen Religionen finden wir nicht nur das Kreuz als Symbol. Es wurden in heidnischen Kulten auch einfache aufrecht stehende Pfähle verwendet.19

7.9 Will Gott das Heil aller oder „aller Arten von“ Menschen?

Johannes 1,7.9:
NWÜ: Dieser kam zu einem Zeugnis, um Zeugnis von dem Licht abzulegen, damit durch ihn Menschen von allen Arten zum Glauben kämen. […] 9 Das wahre Licht, das jeder Art von Menschen Licht gibt, war im Begriff, in die Welt zu kommen.

KIT:Joh1_79

ELB: Dieser kam zum Zeugnis, dass er zeugte von dem Licht, damit alle durch ihn glaubten. […] 9 Das war das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.

Johannes 12,32:
NWÜ: Und doch werde ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, Menschen von allen Arten zu mir ziehen.

KIT:Joh12_32

ELB: Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.

1. Timotheus 2,4:
NWÜ: […] dessen Wille es ist, daß alle Arten von Menschen gerettet werden und zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen.

KIT:1Tim2_4

ELB: […] welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Weitere Stellen mit derselben Wiedergabe: 1. Timotheus 2,1; 4,10; Titus 2,11.

Ein Blick auf die KIT zeigt, dass das griechische Wort pás (hier in den Formen pántes, pánta und pántas) im Interlineartext mit „all“ und „every“ wiedergegeben wird, was auch der Elberfelder Übersetzung „alle“ und „jeder“ entspricht, von der NWÜ sowohl im Englischen als auch im Deutschen ganz anders wiedergegeben wird. Aus „allen“ wird „alle Arten von“.

Nun kann dieses Wort im gegebenen Zusammenhang auch die Bedeutung “alle Arten von” haben, wie etwa in Lukas 11,42 “alles Kraut” im Sinne von “allen Arten von Kräutern”. In den drei oben angeführten Stellen geht es aber um die Universalität des Rufes Jesu und des Wirkens seiner Erlösungstat auf alle Menschen. Wenn Gott nicht alle Menschen retten will, sondern nur “alle Arten von Menschen”, so führt das zu einer völlig anderen Aussage über Gott. Deswegen hat bereits Augustinus in Verteidigung seiner Prädestinationslehre 1. Timotheus 2,4 als von “allen Arten von Menschen” sprechend verstanden20.

Nach unserem Wissen vertritt die Wachtturmgesellschaft die Lehre der Prädestination nicht. Dennoch wird aus der traurigen Tatsache, dass nicht alle Menschen das Heilsangebot Gottes annehmen der Schluss gezogen, dass es nicht „Gottes Wille oder Absicht ist, dass alle Menschen gerettet werden.„21

7.10 Sonstiges

Matthäus 5,3:
NWÜ: Glücklich sind die, die sich ihrer geistigen Bedürfnisse bewußt sind, da das Königreich der Himmel ihnen gehört.

KIT:Matt5_3

ELB: Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel.

Der Ausdruck „Arme im Geist“ drückt auch aus, dass wir uns „unserer geistlichen Bedürfnisse“ bewusst sein sollen.22 Es ist sehr wichtig, dass wir uns ganz bewusst sind, wie sehr wir von Gott abhängen. Aber es geht Jesus um mehr. Es geht ihm darum, dass wir, vom Heiligen Geist geführt, bewusst arm leben, dass wir uns nicht die Schätze dieser Erde ansammeln, sondern ganz frei für Gott sind. Dieser wichtige Aspekt geht in der interpretierenden Wiedergabe der NWÜ verloren.

1. Korinther 7,36–38:
NWÜ: Wenn aber jemand denkt, er verhalte sich gegenüber seiner Jungfräulichkeit ungehörig, wenn diese über die Blüte der Jugend hinausgeht, und es auf diese Weise geschehen sollte, so tue er, was er will; er sündigt nicht. Sie mögen heiraten. Wenn jemand aber in seinem Herzen feststeht, indem er keine Notwendigkeit empfindet, sondern über seinen eigenen Willen Gewalt hat und diese Entscheidung in seinem eigenen Herzen getroffen hat, seine Jungfräulichkeit zu bewahren, wird er gut tun. Folglich tut auch der gut, der seine Jungfräulichkeit in den Ehestand gibt, wer sie aber nicht in den Ehestand gibt, wird besser tun.

KIT:1Kor7_36

ELB: Wenn aber jemand denkt, er handle ungeziemend mit seiner Jungfrau, wenn er in der Vollkraft steht, und es muss so geschehen, so tue er, was er will; er sündigt nicht; sie sollen heiraten. Wer aber im Herzen feststeht und keine Not, sondern Macht hat über seinen eigenen Willen und dies in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrau zu bewahren, der handelt gut. Also, wer seine Jungfrau heiratet, handelt gut, und wer sie nicht heiratet, wird besser handeln.

Diese Stelle ist sicher nicht leicht zu verstehen.23 Aber das rechtfertigt noch nicht die Abänderung des Wortes „Jungfrau“ in „Jungfräulichkeit“. Das griechische Wort parthenos heißt „Jungfrau“.

8 Zum Abschluss

Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Übersetzen der Heiligen Schrift keine einfache Aufgabe und mit einer großen Verantwortung verbunden. Jeder aufrichtige Übersetzer ist in seiner Arbeit allein an den Text gebunden. Es ist seine Aufgabe, den Text unabhängig von dogmatischen Vorgaben zu übersetzen. Das Wort Gottes soll die Basis der Lehre sein, nicht umgekehrt.

Ich lege vor jedermann Zeugnis ab, der die Worte der Prophezeiung dieser Buchrolle hört: Wenn jemand einen Zusatz zu diesen Dingen macht, wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in dieser Buchrolle geschrieben stehen; und wenn jemand irgend etwas von den Worten der Buchrolle dieser Prophezeiung wegnimmt, wird Gott dessen Teil von den Bäumen des Lebens und aus der heiligen Stadt wegnehmen, Dinge, die in dieser Buchrolle geschrieben stehen. (Offenbarung 22,18–19 NWÜ)

Leider haben die Übersetzer der NWÜ diese Warnung nicht immer ernst genommen.

Wir wollen daher alle Menschen, die aufrichtig nach der Wahrheit suchen, dazu ermuntern, jede religiöse Gruppierung nach dem Wort Gottes zu beurteilen.

Jünger Jesu handeln nach folgendem Grundsatz, den Paulus an die Korinther geschrieben hat. Sie sind bereit, sich von jedermann durch das Gewissen vor Gott prüfen zu lassen.

Darum, da wir diesen Dienst haben, weil wir ja Erbarmen gefunden haben, ermatten wir nicht; sondern wir haben den geheimen Dingen, deren man sich schämen muss, entsagt und wandeln nicht in Arglist, noch verfälschen wir das Wort Gottes, sondern durch die Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns jedem Gewissen der Menschen vor Gott. (2. Korinther 4,1–2)

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Teil 3

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Fußnoten:
  1. Was lehrt die Bibel wirklich? Kapitel 6. 
  2. Es stellt sich hier auf dem Hintergrund der von den Zeugen Jehovas gelehrten unterschiedlichen Jenseitshoffnungen die Frage, wo Jesus denn nun sein werde, im Himmel oder im Paradies auf der Erde. 
  3. Bei Johannes: „Wahrlich, wahrlich ich sage dir/euch […].“ 
  4. Bauer, Sp. 896. 
  5. Bauer, Sp. 403. 
  6. Die Version der NWÜ „daß der Glaube ohne Werke untätig ist“ ist eine Tautologie. Die englische Version von 2013 hat daher abgeändert auf: „useless“ („nutzlos“). 
  7. Die neue englische Version von 2013 hat hier die Tradition gebrochen und übersetzt: […] their coming to know you, […]. 
  8. Dieser Name wurde erst 1931, also 15 Jahre nach Russells Tod angenommen. 
  9. Die Berechnung dieses Jahres aus Daniel 4 geht auf Russell zurück, so auch im Wachtturm vom Januar 1904. Russell hat das aber nicht als Beginn der Gegenwart Jesu betrachtet, sondern als Ende der Herrschaft der Nationen. Die heute übliche Berechnung des Jahres 1914 wird etwa im Kapitel „1914 — ein bedeutsames Jahr in der biblischen Prophetie“ des 2005 erschienen Büchleins „Was lehrt die Bibel wirklich“, S. 216–218 dargelegt. Die dort vorgestellte Berechnung weist folgende Mängel auf:
    1. Apostelgeschichte 1,7: Er sprach zu ihnen: Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat. Dieses Wort Jesu sollte Grund genug sein, jede Art von Berechnung abzulehnen. Der Vollständigkeit halber seien noch folgende weitere Gründe genannt:
    2. In Daniel 4 geht es nicht um die Wiederkunft oder Gegenwart Jesu, sondern um die Erniedrigung und Erhöhung Nebukadnezzars. Das Argument, dass Bäume in der Bibel oft ein Sinnbild für Herrschaft sind, bedeutet noch lange nicht, dass es hier um die Herrschaft der Könige von Israel geht. Der Zusammenhang spricht ja von der Herrschaft Nebukadnezzars.
    3. Im Rahmen von Daniel 4 sind die „sieben Zeiten“ auf sieben Jahre Nebukadnezzars zu beziehen. Es gibt keine stichhaltige Begründung, dass mit den „sieben Zeiten“ von Daniel 4,16 genau die doppelte Menge von Offenbarung 12,6.14 gemeint sein soll.
    4. Wenn man schon Offenbarung 12,6.14 heranzieht, dann geht es dort um dreieinhalb Jahre einer Verfolgung. Die Regel „ein Tag für ein Jahr“, die Jehovas Zeugen aus den völlig anderen Zusammenhängen von 4. Mose 14,34 bzw. Ezechiel 4,6 entnehmen, wird hier nur aufgrund einer willkürlichen Annahme verwendet.
    5. Der Ausgangspunkt, der Berechnung, nämlich die Annahme der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezzar im Jahre 607 v. Chr. ist unhistorisch. Nach Annahme aller namhafter Experten wurde Jerusalem nicht 607, sondern 587 oder 586 von den Babyloniern zerstört. Für die Zerstörung Jerusalems im Jahre 607 v. Chr. gibt es weder in der Bibel noch in außerbiblischen Schriften ernsthafte Argumente.
    An dieser schon an sich dem Willen Gottes widersprechenden Auslegung ist also alles falsch, was nur falsch sein kann. 
  10. So in der deutschsprachigen Ausgabe des Wachtturms vom Januar 1904, Seite 8. 
  11. Inzwischen sind noch einige weitere Termine (1925, 1975) verflossen. 1995 wurde die jahrzehntelang verkündete Erwartung, dass das irdische Paradies innerhalb einer Generation nach 1914 sichtbar werde, notgedrungen aufgegeben. Die Studienausgabe des Wachtturms vom Januar 2014 stellt trotzdem voller Zweckoptimismus fest: Die begeisternden Ereignisse in den 100 Jahren Königreichsherrschaft sind ein Beweis dafür, dass Jehova alles im Griff hat und sein Vorhaben mit der Erde verwirklicht. Bleiben wir ihm treu untertan und verkünden wir den König und sein Königreich. Vertrauen wir dabei völlig darauf, dass Jehova unsere aufrichtige Bitte erhört: „Dein Königreich komme“! 
    Gott hat tatsächlich alles im Griff. Aber meint der Wachtturm mit den „begeisternden Ereignissen“ die Serie von nicht eingetroffenen Berechnungen? 
  12. Russell führte in seinem oben erwähnten Erstlingsbuch diese Stelle noch mit der Formulierung „Lo, I am with you always, even unto the end of the world.“ (Siehe, ich bin immer bei euch, bis zum Ende der Welt) als Argument dafür an, dass Christus immer mit seinem Geist anwesend war, dass seine unsichtbare Gegenwart aber mit seinem geistlichen Leib sein werde. Da für Russell der auferstandene Jesus aber nicht mehr Mensch war, sondern ein Geistwesen, stellt sich die Frage, worin der Unterschied zwischen dem geistlichen Leib Christi und seinem Geist besteht. 
  13. Die präsentische Formulierung zeigt, dass das Lamm schon zur Zeit der Niederschrift des Buches König war, nicht erst seit 1914. 
  14. In der 6. Auflage in Spalte 1272. 
  15. Interessant ist die Bemerkung von Charles T. Russell im deutschen Wachtturm vom Januar 1904 zur Parallelstelle in Markus 13,32: […] wenn diese Stelle sagen soll, dass kein Mensch je die Zeit und die Stunde wissen werde, so muß sie gleichfalls bedeuten, daß es kein Engel je wissen wird und auch der Sohn selbst nicht. Das wäre offenbar eine alberne Auslegung dieser Stelle. Wohl hat der Sohn Gottes nicht die Zeit gewußt, als er diesen Ausspruch tat, noch irgend ein Engel oder Mensch; aber sicherlich mußte der Sohn die Zeit und Stunde seines eigenen zweiten Adventes wenigstens eine kurze Zeit vor dem Stattfinden desselben wissen, und ebenso die Engel. Und die wahren Kinder Gottes sollen, wie wir oben gesehen, wachen, damit auch sie zu seiner Zeit „wissen“ mögen und nicht mit der Welt im Finstern, in Unwissenheit seien.
    Jesus wusste den Zeitpunkt seines zweiten Kommens nicht erst „wenigstens eine kurze Zeit vor dem Stattfinden desselben“, sondern bei seiner Verherrlichung nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Herr Russell wusste es jedenfalls nicht, auch wenn er sich seiner Berechnungen ganz sicher war. Keiner der heutigen Zeugen Jehovas glaubt seinem Datum des Beginns der unsichtbaren Gegenwart Jesu im Jahre 1874. Russell schreibt im selben Wachtturm: Nach unserem Verständnis gibt es starke Beweise dafür, dass die Parusia des Herrn im Herbst 1874 begann. Mit dem natürlichen Auge haben wir davon nichts gesehen; nur mit dem Auge des Verständnisses, und auch das nur im Licht des „festen prophetischen Wortes“, dem wir aufrichtig glauben und vertrauen. […]  
  16. So auch nach Bauers Wörterbuch zum Neuen Testament, Sp. 1527. 
  17. Diese Darstellung beweist natürlich nicht, dass im 2./3. Jahrhundert Kreuze als Gegenstände religiöser Verehrung verwendet wurden. Sie zeigt nur, wie im heidnischen Umfeld das Christentum verstanden wurde, nämlich dass die Christen einen Gekreuzigten göttlich verehren, was die Heiden auf einer Stufe mit der Verehrung eines Esels gesehen haben. 
  18. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass Justus Lipsius in seinem Werk „De Cruce Libri Tres“ in der von den Zeugen Jehovas wiedergegebenen Abbildung der „crux simplex“ NICHT die Kreuzigung Jesu darstellen wollte. Das lateinisch verfasste Werk ist im Internet abrufbar. Dort, wo es um die Kreuzigung Jesu geht, bleibt auch Lipsius bei der üblichen Kreuzform. Leider kann sich Lipsius im Nachhinein gegen den Missbrauch seines Werkes nicht mehr wehren. 
  19. Siehe dazu den Artikel „Heiliger Pfahl“ in der Publikation Einsichten in die Heilige Schrift, Band 1, S. 1106–1107. 
  20. Augustinus, De correptione et gratia, 14,44. 
  21. Aus einem Schreiben von Jehovas Zeugen, Zweigbüro Zentraleuropa vom 22.10.2015: Obwohl Jehova wünschen mag, dass alle Menschen zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen und errettet werden, so weiß er dennoch, dass dies nicht der Fall sein wird […] In 1. Timotheus 2:4 ist somit nicht gemeint, dass es Gottes Wille oder Absicht ist, dass alle Menschen gerettet werden. 
  22. Geistige Bedürfnisse beziehen sich doch wohl eher auf die intellektuellen Bedürfnisse, die wir haben. Jesus will doch nicht sagen, dass wir uns weiterbilden sollen. Hier lag der Fehler aber beim Übersetzer ins Deutsche. Das Englische hat korrekt „spiritual“. 
  23. Wir beschäftigen uns in unserer Ausarbeitung über Ehe und Ehelosigkeit besonders auch in den Fußnoten 8 und 9 näher mit dieser Stelle.