Die „Neue‐Welt‐Übersetzung“ der Heiligen Schrift

Teil 3

Warum ist der Wachtumgesellschaft der Name Jehova so wichtig, dass sie ihn an vielen Stellen im Neuen Testaments verwenden, obwohl er in keiner der vorhandenen griechischen Handschriften auftaucht? Was aber meinte Jesus mit „Deinem Namen“?

6 Die „Wiederherstellung“ des Namens Gottes

Da die meisten modernen Übersetzungen den alttestamentlichen Gottesnamen יהוה (JHWH) mit „Herr“ (in vielen Übersetzungen wie Luther oder Elberfelder zur Unterscheidung von den „Herr“ bedeutenden hebräischen Wörtern adon oder adonaj1 mit Großbuchstaben HERR“ wiedergegeben), scheint die Forderung berechtigt, auch in Übersetzungen den ursprünglichen Gottesnamen zu verwenden. So finden wir auch in der Erstausgabe der Jerusalemer Bibel im Alten Testament den alttestamentlichen Gottesnamen mit „Jahwe“ wiedergegeben. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden, auch wenn wir uns dessen bewusst sein müssen, dass jede Wiedergabe des Gottesnamens nur eine Rekonstruktion darstellt, und wir die tatsächliche Aussprache dieses Namens nie mit Sicherheit wissen werden.

Die Wiedergabe des Gottesnamens JHWH mit „HERR“ geht auf eine in den letzten Jahrhunderten vor Christus entstandene jüdische Tradition zurück und findet sich bereits in der seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. entstandenen „Septuaginta“ genannten Übersetzung ins Griechische. Dort wird der Gottesname üblicherweise mit kyrios („Herr“) wiedergegeben. Dieser Praxis sind auch die inspirierten Schreiber des Neuen Testaments gefolgt.

Da die hebräische Schrift ursprünglich nur aus Konsonanten bestand, haben die Schreiber für den Namen Gottes nur die Konsonanten JHWH verwendet. Erst die Masoreten2 fügten im 8.–10. Jahrhundert n. Chr. die Vokalzeichen hinzu. Da aber zu dieser Zeit der Gottesname schon lange nicht mehr ausgesprochen wurde, und statt dessen meistens adonaj („Herr“) gesagt wurde, wurden die Konsonanten JHWH mit den Vokalen a/e – o – a von adonaj verbunden. Menschen, denen diese Tatsache nicht bewusst war, haben daraus das Kunstwort „Jehova(h)“ geformt.3 Aber auch die heute verbreitete Form „Jahwe(h)“ beruht nur auf einer Rekonstruktion.

Während die Wiedergabe des Gottesnamens in den heiligen Schriften Israels mit „Jahwe“ oder auch „Jehova“, wenn man sich der Grenzen bewusst ist, eine Möglichkeit darstellt, gibt es diese Möglichkeit für die Schriften des Neuen Bundes nicht, da uns kein einziges Manuskript vorliegt, das die Verwendung dieses Namens bezeugt. Es gibt wohl einige alte Fragmente der Septuaginta, die im griechischen Text das Tetragrammaton4 verwenden, und JHWH nicht mit kyrios wiedergeben. Die Existenz solcher Fragmente beweist aber nicht, dass die Septuaginta ursprünglich JHWH hatte, wo die heute erhaltenen Manuskripte kyrios schreiben.5 Wir können auch nicht wissen, wie die griechisch sprechenden Juden der damaligen Zeit den Namen Gottes ausgesprochen haben. Es ist durchaus möglich, dass einige zwar JHWH geschrieben, aber kyrios gesagt haben. Auf keinen Fall beweist die Existenz dieser Fragmente, dass die Autoren der Schriften des Neuen Testaments an den in der NWÜ angeführten Stellen nicht kyrios geschrieben hätten, sondern JHWH. Es hätte einer sehr umfangreichen nachträglichen Korrekturtätigkeit unter den Christen bedurft, um alle Handschriften entsprechend abzuändern.6 Es müssten auch in der frühchristlichen Literatur Spuren einer nachträglichen Änderung zu finden sein, da derartige Manipulationen nicht ohne Widerstand durchgeführt worden wären. Auch aus dem anschließend angeführten Beispiel aus Römer 10, in dem Paulus kyrios in einem Joelzitat auf Jesus bezogen hat, zeigt, dass der Septuagintatext, der Paulus vorlag, an der Stelle kyrios hatte und nicht JHWH.

Die Herausgeber der NWÜ berufen sich auf Übersetzungen der „Christlichen Griechischen Schriften“ ins Hebräische, die das Tetragrammaton JHWH verwendeten, und fügten diesen Namen an 237 Stellen in den Text des Neuen Testaments ein, meist dort, wo im Griechischen kyrios („Herr“) steht, an einigen wenigen Stellen auch anstelle des Griechischen theós („Gott“). Mittelalterliche bis neuzeitliche Übersetzungen ins Hebräische sind nun aber keine Textbasis für eine sich auf den Urtext berufende Übersetzung.

An manchen Stellen wird durch die Einführung des Namens „Jehova“ auch der Zusammenhang verschleiert und eine wichtige Lehraussage der Apostel verdeckt.

Als Beispiel sei Römer 10,9–13 angeführt:
NWÜ: Denn wenn du dieses ‘Wort in deinem eigenen Mund’, daß Jesus Herr ist, öffentlich verkündigst und in deinem Herzen Glauben übst, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden. Denn mit dem Herzen übt man Glauben zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber legt man eine öffentliche Erklärung ab zur Rettung. Denn die Schrift sagt: „Keiner, der seinen Glauben auf ihn setzt, wird enttäuscht werden.“ Denn da ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn da ist derselbe Herr über alle, der reich ist gegenüber allen, die ihn anrufen. Denn „jeder, der den Namen Jehovas anruft, wird gerettet werden“.

KIT:Rom10_13

ELB: dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du gerettet werden wirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil. Denn die Schrift sagt: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn er ist Herr über alle, und er ist reich für alle, die ihn anrufen; „denn jeder, der den Namen des Herrn anrufen wird, wird gerettet werden“.

In Vers 9 wird das Bekenntnis, dass Jesus der Herr sei, als Grundlage der Rettung angesehen. Als Begründung dazu führt Paulus in Vers 13 ein Zitat aus Joel an, dass jeder, der den Namen des Herrn anrufen werde, gerettet werden würde. Nun steht im hebräischen Text tatsächlich JHWH. Also ist es doch gerechtfertigt, dieses Zitat im Römerbrief auch mit JHWH wiederzugeben? Paulus zitiert hier aber nach der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der sogenannten Septuaginta, die JHWH mit kyrios wiedergegeben hat. Paulus verwendet dieses Zitat auch, um darauf hinzuweisen, dass Jesus dieser Herr ist, durch den wir gerettet werden. Wenn es Paulus nur darauf angekommen wäre, zu sagen, dass jeder, der JHWH anruft, gerettet wird, dann hätte er sich nicht so bemüht, den Juden Jesus als den Herrn zu verkündigen.
Indirekt sagt Paulus damit auch, dass Jesus JHWH ist. Diese Botschaft ist nun der Lehre der Wachtturm‐Gesellschaft völlig entgegengesetzt. Durch die Verwendung zweier verschiedener Wörter (Vers 9: Herr; Vers 13: Jehova) zur Wiedergabe des griechischen Wortes kyrios wird diese Aussage von Paulus verschleiert.

1. Korinther 4,4–5:
NWÜ: Denn mir ist nichts bewußt, was gegen mich [spräche]. Doch dadurch werde ich nicht als gerecht befunden, der mich aber beurteilt, ist Jehova. Richtet somit nichts vor der gegebenen Zeit, bis der Herr kommt, der sowohl die verborgenen Dinge der Finsternis ans Licht bringen als auch die Ratschläge der Herzen offenbar machen wird, und dann wird jedem sein Lob von Gott zukommen.

KIT:1Kor4_4

ELB: Denn ich bin mir keiner Schuld bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr. So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.

Wenn aus Vers 5 ganz klar ist, dass der kommende Herr nur Jesus sein kann, warum wird dann im unmittelbaren Zusammenhang damit in Vers 4 kyrios mit „Jehova“ wiedergegeben?

1. Korinther 10,21:
NWÜ: Ihr könnt nicht den Becher Jehovas und den Becher der Dämọnen trinken; ihr könnt nicht am „Tisch Jehovas“ und am Tisch der Dämọnen teilhaben.

KIT:1Kor10_21

ELB: Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilnehmen und am Tisch der Dämonen.

Im Zusammenhang geht es hier um das Herrenmahl. Paulus warnt, dass man als Christ nicht zugleich dem Herrn Jesus Christus durch Teilnahme am Herrenmahl und den Götzen durch Teilnahme an heidnischen Opfermahlzeiten dienen kann. Der Herr, an den der Kelch des Herrn und der Tisch des Herrn erinnern, ist der Herr Jesus Christus. Wir Christen bekennen, dass im Herrn Jesus Gott Mensch geworden ist, dass in dieser Weise der Herr Jesus auch JHWH ist. Aber das ist wohl nicht das, was die Übersetzer der NWÜ zum Ausdruck bringen wollen.

1. Thessalonicher 4,15:
NWÜ: Denn dies sagen wir euch durch Jehovas Wort, daß wir, die Lebenden, die bis zur Gegenwart7 des Herrn am Leben bleiben, denen keineswegs zuvorkommen werden, die [im Tod] entschlafen sind;

KIT:1Thes4_15

ELB: Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden.

Hier wird innerhalb eines Verses das Wort kyrios einmal mit „Jehova“, einmal mit „Herr“ wiedergegeben. Worauf gründet diese Auswahl?

Apostelgeschichte 7,59–60:
NWÜ: Und sie fuhren fort, Stẹphanus zu steinigen, während er flehte8 und sprach: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.“ Darauf beugte er seine Knie und rief mit lauter Stimme: „Jehova, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ Und nachdem er dies gesagt hatte, entschlief er [im Tod].

KIT:Ap7_60

ELB: Und sie steinigten den Stephanus, der betete und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Und niederkniend rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dies gesagt hatte, entschlief er.

Hier ruft Stephanus zweimal den Herrn (griechisch kyrios) an. Im ersten Fall ist eindeutig Jesus damit gemeint. Warum sollte dann im darauf folgenden Satz nicht Jesus gemeint sein? Es ist eine willkürliche und tendenziöse Wiedergabe, wenn in Vers 60 kyrios durch „Jehova“ ersetzt wird, obwohl in Vers 59 Jesus gemeint ist. Weiters ist hier durch das Faktum, dass Stephanus zu Jesus gebetet hat, die göttliche Natur Jesu klar bezeugt. Auch hier versucht die NWÜ, durch die Wiedergabe mit „flehte“ dieses Faktum abzuschwächen. Das griechische Wort epikaleo heißt nicht „flehen“, sondern in Zusammenhängen wie diesem „anrufen“, wie es auch die NWÜ in 1. Korinther 1,2 korrekt wiedergibt:

[…] an die Versammlung Gottes, die in Korinth ist, an euch, die in Gemeinschaft mit Christus Jesus Geheiligten, zu Heiligen Berufenen, samt allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus, ihres Herrn und des unseren, überall anrufen:

In der Apostelgeschichte setzt die NWÜ an zwei weiteren Stellen „Jehova“, wo aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, dass mit dem kyrios Jesus gemeint ist. Wir erwähnen diese beiden Stellen nur kurz: Apostelgeschichte 16,15, wo die gottesfürchtige, also bereits zuvor an den Gott Israels glaubende Lydia zum Glauben an den Herrn Jesus kam, und Apostelgeschichte 18,25, wo es heißt, dass der Jude Apollos über den Weg des Herrn (Jesus) mündlich unterwiesen worden war. Hier ist die NWÜ offensichtlich falsch.

6.1 Was meinte Jesus mit „Deinem Namen“?

Jehovas Zeugen verwenden einige Stellen aus dem Munde Jesu, um zu zeigen, dass es für Jesus ein oder das zentrale Anliegen war, den Namen „Jehova“ zu verkünden. Wir wollen uns deshalb auch mit diesen Stellen beschäftigen.

Ihr sollt daher auf folgende Weise beten: ‚Unser Vater in den Himmeln, dein Name werde geheiligt. (Matthäus 6,9 NWÜ)

Wodurch halten wir den Namen Gottes heilig? Dadurch, dass wir ihn aussprechen oder durch ein Leben nach seinem Willen, in dem wir der Sünde keinen Raum geben und Gottes Wille auch unser Wille ist? Im nächsten Vers lehrt uns Jesus ja auch, so zu beten:

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf der Erde. (Matthäus 6,10b NWÜ)

Jeremia warnte vor Propheten, die im Namen JHWHs geweissagt haben, aber gelogen haben:

Und der HERR sprach zu mir: Die Propheten weissagen Lüge in meinem Namen. Ich habe sie nicht gesandt und sie nicht beauftragt – auch nicht zu ihnen geredet. Sie weissagen euch Lügenvision, Wahrsagerei, Nichtiges und den Trug ihres Herzens. (Jeremia 14,14)

Die Verwendung des Namens Gottes war offensichtlich nicht das Problem dieser „Propheten“, sondern ihre lügenhaften Worte, die auch mit einem Leben des Ungehorsams verbunden waren.

Weitere von Jehovas Zeugen angeführte Stellen:

Jetzt ist meine Seele beunruhigt, und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde. Doch deswegen bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen.“ Darum kam eine Stimme vom Himmel: „Ich habe [ihn] verherrlicht und will [ihn] wieder verherrlichen.“ (Johannes 12,27–28 NWÜ)

Jesus wollte in allem, was er tat, den Namen seines Vaters verherrlichen. Er tat es dadurch, dass er Gott bis in den Tod hinein treu blieb. Jesu Liebe und Treue, seine vollkommene Heiligkeit auch in der schwersten Anfechtung hat dem Namen, d. h., der Person des Vaters die Ehre gegeben. So hat er ihn verherrlicht, ohne den Namen JHWH auszusprechen. In der Liebe Jesu wurde die Liebe des Vaters zu uns sichtbar.

Ich habe deinen Namen den Menschen offenbar gemacht, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort gehalten. (Johannes 17,6 NWÜ)

Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen. (Johannes 17,26)

Wie hat Jesus den Namen seines Vaters offenbar gemacht oder kundgetan? Dadurch, dass er seine Jünger gelehrt hat, ihn möglichst oft auszusprechen? Es ist offensichtlich, dass gerade im Johannesevangelium, in dem wir die tiefsten Worte Jesu finden, wir auch in der NWÜ die wenigsten Erwähnungen von „Jehova“ finden, nur fünfmal und nur in Zitaten aus dem Alten Testament. Das Anliegen Jesu war offensichtlich nicht, den Namen „Jehova“ zu proklamieren, der mit einer anderen Aussprache den Juden ohnehin bekannt war. Jesus hat den Namen seines Vaters durch seine ganze Person kundgetan. Sein ganzes Leben war eine einzige Offenbarung des Wesens des Vaters:

Jesus sprach zu ihm: „So lange Zeit bin ich bei euch gewesen, und dennoch hast du mich nicht kennengelernt, Philịppus? Wer mich gesehen hat, hat [auch] den Vater gesehen. Wie kommt es, daß du sagst: ‚Zeige uns den Vater.‘?“ (Johannes 14,9 NWÜ)

Kein Mensch hat GOTT jemals gesehen; der einziggezeugte Gott, der am Busen[platz] beim Vater ist, der hat über ihn Aufschluß gegeben. (Johannes 1,18 NWÜ)

Jesus war in seinem ganzen Wesen die Offenbarung des Vaters. In Jesu Wesen können wir Gottes Wesen kennenlernen. Dadurch wird in denen, die ihm folgen die Liebe Gottes, die in Jesus tiefste Wirklichkeit wurde, zur lebensbestimmenden Realität. Dadurch wird der Name Gottes, der für seine Person steht, geheiligt und verherrlicht.

Dass es nicht das Ziel Jesu war, sich dafür einzusetzen, dass die Menschen den Namen Gottes aussprechen, zeigt auch die Tatsache, dass er auf die zu seiner Zeit übliche Scheu der Juden, den Namen Gottes auszusprechen, Rücksicht genommen hat:

[…] Wieder begann der Hohepriester ihn zu befragen und sagte zu ihm: „Bist du der Christus, der Sohn des Gesegneten?“ Da sprach Jesus: „Ich bin es; und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.“ (Markus 14,61–62 NWÜ)

Der Hohepriester verwendete statt „Gott“ oder „JHWH“ das Wort „Gesegneter“. In seiner Antwort sprach auch Jesus nicht von „JHWH“, sondern er sprach von der „Macht“. Jesus hatte gewiss kein pantheistisches Gottesverständnis. Aber es war für ihn kein Problem, aus Rücksicht auf die Juden eine Umschreibung statt des Namens Gottes zu verwenden.

Ein weiteres Beispiel für die Umschreibung des Namens Gottes finden wir im Gleichnis vom verlorenen Sohn, in dem der reumütige Sohn zu seinem Vater spricht:

Vater, ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt. […] (Lukas 15,21 NWÜ)

Mit „gegen den Himmel“ ist ganz offensichtlich „gegen Gott“ gemeint.

Das Kundtun des Namens Gottes hatte für Jesus offensichtlich nichts mit dem Tetragrammaton zu tun. Jesus hat seine Jünger „in seinem (= Gottes) Namen bewahrt“ (Johannes 17,11), dadurch, dass er sie zu einer Beziehung zum Vater geführt hat. In dieser Beziehung waren sie durch Gottes Liebe bewahrt.

Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, […] (Matthäus 28,19)

Es heißt hier nicht: „auf die Namen […]“ in der Mehrzahl, sondern „auf den Namen […]“. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist haben teil am selben Namen. Die Taufe auf (wörtlich: „in, hinein“) den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes drückt aus, dass jeder, der umkehrt und sich als Zeichen der Umkehr taufen lässt, in eine Beziehung zu Gott hineingeführt wird, die sein Leben prägt. Der „Name“ steht hier für das Wesen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Zurück zu: Überblick
Teil 2
Teil 4

Zurück zum Seitenanfang ↑


Fußnoten:
  1. Die Form adonaj wurde nur für Gott verwendet, während adon das allgemeinere Wort für „Herr“ war und sich auch auf andere beziehen konnte. 
  2. Jüdische Gelehrte. 
  3. Die Form „Jehova“ wird auf den Dominikaner Raymundus Martinus (1220–1285) zurückgeführt. 
  4. Die vier Buchstaben JHWH. 
  5. Vergleiche dazu: Albert Pietersma, “Kyrios or Tetragram: A Renewed Quest for the Original Septuagint” in De Septuaginta. Studies in Honour of John W. Wevers on His Sixty‐Fifth Birthday, ed. Albert Pietersma and Claude Cox (Mississauga: Benben Publishers, 1984), 85–101. Der Autor bringt Argumente, dass die Existenz von Septuaginta‐Handschriften, in denen der Gottesname mit hebräischen Buchstaben eingefügt wurde, nicht bedeutet, dass es auch in der ursprünglichen Septuaginta so war. Er geht auf die Fragmente im Detail ein und beschäftigt sich mit der Art, wie kyrios in den Septuagintatexten verwendet wird. 
  6. Im Anhang ihrer Studienbibel heißt es: Irgendwann während des zweiten oder dritten Jahrhunderts u. Z. entfernten die Abschreiber das Tetragrammaton sowohl aus der Septuaginta als auch aus den Christlichen Griechischen Schriften und ersetzten es durch Kýrios, „Herr“, oder Theós, „Gott“. – Nun gibt es aber aus diesem Zeitraum sowohl Handschriften mit neutestamentlichen Texten als auch außerbiblische Texte von Autoren, die das Neue Testament zitieren. Papyrus 66 stammt aus dem zweiten Jahrhundert und enthält fast das komplette Johannesevangelium, Papyrus 46 vermutlich auch noch aus dem zweiten Jahrhundert enthält fast alle Paulusbriefe. In keiner dieser Handschriften findet sich auch nur eine Spur von „Jehova“. 
  7. Siehe dazu Punkt 7.6 dieser Ausarbeitung. 
  8. Fußnote in der NWÜ: Od.: „anrief“, „betete“.