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1 Einleitende Gedanken zur Person Martin Luthers
Zweifellos ist Martin Luther eine der bedeutendsten Gestalten der Kirchengeschichte, dessen Lehren und Lebensgrundsätze durch Jahrhunderte hindurch die Theologie und Praxis der protestantischen Gemeinschaften bestimmt haben und auch eine irreversible Wirkung auf die Entwicklung des neuzeitlichen Katholizismus ausgeübt haben. Auch seine Verdienste für die Entwicklung der deutschen Sprache sind nicht zu bezweifeln. Was seine Schriftauslegung betrifft, weichen die Meinungen in den einzelnen Konfessionen aber deutlich voneinander ab. Seinen Anklägern und Kritikern gegenüber hat er sich oft auf das von Gott geführte Gewissen berufen. Er bat darum, seine Worte und Taten auf der Grundlage der Bibel mit einem gerechten Gericht zu beurteilen.
Dieser Bitte entsprechend
bemühten wir uns in dieser Abhandlung, MARTIN LUTHERS Lehren und Äußerungen zu prüfen, beziehungsweise in deren Licht, eine Antwort auf die Frage zu finden, inwieweit Martin Luther als christliche Autorität anerkannt werden kann.
Denn …
… entweder macht den Baum gut, dann ist seine Frucht gut, oder macht den Baum faul, dann ist seine Frucht faul; denn an der Frucht wird der Baum erkannt. Otternbrut! Wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatz Böses hervor. Ich sage euch aber, dass die Menschen von jedem unnützen Wort, das sie reden werden, Rechenschaft geben müssen am Tag des Gerichts; denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden. (Matthäus 12,33–37)
2 Martin Luther leugnete den freien Willen
Luther:
Der freie Wille nach dem Sündenfall ist allein dem Namen nach eine Wirklichkeit. Wenn er (der freie Wille) das tut, was in ihm ist, so begeht er eine Todsünde.1
Wenn aber Gottes Vorherwissen und Allmacht zugegeben wird, so folgt daraus natürlich mit unantastbarer Folgerichtigkeit, dass wir nicht durch uns selbst geschaffen sind oder leben oder irgend etwas vollbringen, sondern alles geschieht nur durch Gottes Allmacht. Da er aber im Voraus wusste, dass wir so sein würden und uns auch jetzt so erschafft, lenkt und regiert, was kann dann, so frage ich, überhaupt erdacht werden, das in uns frei sei, dass es so oder anders geschehe, als Gott es vorausgesehen hat und nun ins Werk setzt? So steht also Gottes Vorherwissen und Allmacht im schärfsten Gegensatz zu unserm freien Willen. Denn entweder irrt Gott in seinem Vorherwissen und wird sich dann auch in seinem Tun irren – was doch unmöglich ist – oder wir handeln und werden geleitet nach seinem Vorherwissen und Handeln. Als Allmacht Gottes aber bezeichne ich nicht jene Macht, durch die er vieles nicht tut, was er wohl könnte, sondern jene handelnde Kraft, durch die er machtvoll alles in allem wirkt; und in diesem Sinne nennt ihn auch die Schrift allmächtig. Und diese Allmacht und dieses Vorherwissen Gottes zerstört – so sage ich – von Grund aus die Lehre vom freien Willen.2
Es ist also auch dies vor allen Dingen notwendig und heilsam für den Christen zu wissen, dass Gott nichts zufällig vorherweiß, sondern dass er alles mit unwandelbarem, ewigem und unfehlbarem Willen sowohl vorhersieht, sich vornimmt und ausführt. Durch diesen Donnerschlag wird der freie Wille zu Boden gestreckt und ganz und gar zermalmt. Deshalb müssen die, welche den freien Willen behauptet haben wollen, diese schlagende Erkenntnis entweder verneinen oder verleugnen oder auf irgendeine andere Weise von sich schaffen.3
Diese Äußerungen Luthers stehen in klarem Gegensatz zu Gottes Wesen, der in seiner Liebe das Heil für alle Menschen will. Sein größter Fehler dabei ist die Lehre, dass durch Gottes Vorherwissen und Allmacht die Entscheidungen des Menschen vorher bestimmt seien. Hier ist es wichtig, zu klären, dass Gott das im Voraus weiß, was der Mensch in völliger Freiheit entscheiden wird. Gott ist allwissend, weil er zeitlos ist, weil er über der Zeit steht. Deswegen beeinflusst dieses Wissen nicht die innerzeitlichen Ereignisse. Gottes Vorherwissen steht daher in keinem Widerspruch zur menschlichen Freiheit und zerstört diese nicht. Die biblische Lehre von Gottes Allmacht widerspricht nicht der Feststellung, dass Gott vieles, was in der Welt geschieht, nicht direkt ausführt. Gott kann auch zulassen, dass die Dinge aufgrund der durch ihn bestimmten Grundsätze – wie zum Beispiel dem freien Willen – ihren freien Lauf nehmen.
Wir gehen ausführlicher auf die Lehre der Prädestination (Vorherbestimmung) in einer eigenen Abhandlung dazu ein: „Prädestination (Vorherbestimmung)“.
Nach der Lehre der Bibel will Gott, dass jeder Mensch gerettet werde und zur Erkenntnis der Wahrheit gelange (Johannes 12,44–50; 1. Timotheus 2,1–7). Obwohl Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, geschieht es nicht, und wird – leider – auch nicht geschehen, wie das auch die biblische Lehre über die ewige Verdammnis ausdrückt (Matthäus 25,31–46 – besonders Vers 46; 2. Thessalonicher 1,3–10 usw.). Wie kann es aber nun sein, dass, wenn Gott will, dass alle gerettet werden, die Mehrheit der Menschen trotzdem nicht das Heil erlangen? Ist Gott nicht allmächtig oder hat der Mensch einen freien Willen?
Luther:
So ist der menschliche Wille in die Mitte gestellt (zwischen Gott und Satan [sic!] ) wie ein Zugtier. Wenn Gott sich darauf gesetzt hat, will er und geht, wohin Gott will, wie Psalm (73,22f) sagt: „Ich bin wie ein Tier geworden und ich bin immer bei dir.“ Wenn Satan sich darauf gesetzt hat, will und geht er, wohin Satan will. Und es steht nicht in seiner freien Entscheidung, zu einem von beiden Reitern zu laufen oder ihn sich zu verschaffen zu suchen, sondern die Reiter selbst kämpfen miteinander, ihn zu erlangen und zu besitzen.4
Mit diesen Worten widerspricht Luther seinen eigenen Aussagen über die Allmacht Gottes. Er beschreibt den Satan wie ein mächtiges Wesen, das mit Gott auf einer Ebene steht. Gott muss mit ihm um den Menschen kämpfen. Dieser lutherische Dualismus5 hat sich von der Lehre der Bibel so weit wie nur vorstellbar entfernt. Wenn Gott allmächtig ist, warum muss er dann um irgendetwas kämpfen? Andererseits – um mit Luthers Logik zu argumentieren – wie kann es geschehen, dass im Gegensatz zum Willen des allmächtigen Gottes Satan auf einem Menschen „reiten“ kann? Oder ist vielleicht gerade das der Wille Gottes, des Gottes der Liebe?! Übrigens hat Luther Psalm 73 völlig aus dem Zusammenhang herausgerissen zitiert. Der Psalmist will sagen, dass er, so lange sein Herz erbittert war, vor Gott wie ein Tier war, verschlossen gegen die Erkenntnis, die Gott ihm schenken wollte. Doch nun hat er sich Gott zugewandt, und hat die Gewissheit, bei Gott zu sein.
Luther:
Wenn wir dieses Wort (freier Wille) nicht überhaupt aufgeben wollen, was am sichersten und am frömmsten wäre, sollten wir lehren, es doch bis dahin gewissenhaft zu gebrauchen: dass dem Menschen ein freier Wille nicht in Bezug auf die Dinge eingeräumt sei, die höher sind als er, sondern nur in Bezug auf das, was so viel niedriger ist als er, d. h. dass er weiß, er habe in Bezug auf seine zeitlichen Geldmittel und Besitztümer das Recht, etwas zu gebrauchen, zu tun, zu lassen nach freiem Ermessen (obwohl auch dies durch den freien Willen Gottes allein gelenkt wird wohin immer es ihm gefällt). Im übrigen hat er gegenüber Gott oder in den Dingen, welche Seligkeit oder Verdammnis angehen, keinen freien Willen, sondern ist gefangen, unterworfen, geknechtet entweder vom Willen Gottes oder vom Willen des Satans.6
Luther gerät hier wieder in einen interessanten Widerspruch mit sich selber. Auch er bemerkt, dass man dem Menschen irgendeine Freiheit zuschreiben muss, wenigstens in den alltäglichen Dingen. Aber dazu, um diesen Gedanken aufrichtig zu Ende zu führen, hängt er schon zu sehr an seinen Lehren. Mit seinen in Klammern gesetzten Ausführungen „(obwohl auch dies durch den freien Willen Gottes allein gelenkt wird wohin immer es ihm gefällt)“ weist er das Ziehen der richtigen Konsequenzen einfach zurück, nämlich dass der Mensch doch einen freien Willen hat.
Luther:
Ich bekenne fürwahr in Bezug auf mich: Wenn es irgendwie geschehen könnte, möchte ich nicht, dass mir ein freier Wille gegeben werde, oder dass etwas in meiner Hand gelassen würde, womit ich nach dem Heil streben könnte.7
Dieses Bekenntnis Luthers bezeugt, wie wenig er Gott und die Wahrheit geliebt hat. Die Bibel spricht gerade über den unausweichlichen, hingebungsvollen und konsequenten Kampf um den rechten Gebrauch des menschlichen Willens (Römer 6; Römer 12,1–2 usw.). Gott nimmt uns in sein Reich auf, aber nur dann, wenn wir das wollen (z. B. Lukas 13,22–30).
3 Martin Luther lehrte, dass das Christsein nach außen unsichtbar ist
Luther:
Ein christlich Wesen besteht nicht im äußerlichem Wandel; es wandelt auch den Menschen nicht nach dem äußerlichen Stande, sondern nach dem innerlichen, d. h., es gibt ein andres Herz, einen andren Mut, Willen und Sinn, welcher dieselben Werke tut, die ein anderer ohne solchen Mut und Willen tut. Denn ein Christ weiß, dass es ganz am Glauben liegt. Darum gehet, stehet, isset, trinket, kleidet, wirket und wandelt er wie sonst ein gemeiner Mann in seinem Stande, dass man nicht seines Christentums gewahr wird, wie Christus Luk. 17,20f saget: „Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch“8
Man kann einen Christen nicht recht nach dem äußerlichen Leben beurteilen. Denn es ist ebenso unrein und baufällig wie des Nichtchristen Leben. Deshalb müssen sie täglich beten: „Vergib uns unsere Schuld“. Wer aber einen Christen recht ansehen und beurteilen will, der tue es nach dem Glauben. Denn nach unserm Fleisch und Blut sind wir Sünder und müssen ebenso sterben und allerlei Unglück hier auf Erden erwarten und wohl mehr als andere Leute, die Nichtchristen sind. Denn Christen fühlen die Sünde mehr als andere Leute.9
Luthers Denken über die christliche Lebenspraxis ist mit der Lehre der Bibel nicht vereinbar und wirft auch im Zusammenhang mit dem Wesen des Menschen Probleme auf. Seele, Wille, Verstand des Menschen sind nicht unabhängig von dessen Taten. Wir sind Wesen mit Bewusstsein und überlegen uns, was wir tun. Unser inneres Wesen, unsere Überzeugung offenbart sich durch unser Tun:
Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht bringt, auch wieder keinen faulen Baum, der gute Frucht bringt; denn jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt … Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor, und der böse bringt aus dem bösen das Böse hervor … (Lukas 6,43–45)
Die Bekehrung bedeutet eine völlige Umwandlung der Denkweise, eine neue Wertordnung, aufgrund derer jemand sein Leben neu ordnet:
Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. (Römer 12,2)
Ungläubige können durch das Lebenszeugnis eines Christen das Wirken Gottes sehen und von seiner Liebe und von der von Sünde befreienden Kraft überzeugt werden:
Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen, die im Hause sind. So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen. (Matthäus 5,14–16)
Was wäre dieses Licht für die ohne Gott lebenden Menschen, wenn unser Christsein nicht an unserem Verhalten sichtbar wäre? Auch Petrus sieht einen großen Unterschied zwischen dem Lebenswandel vor und nach der Bekehrung. Weil die Christen nicht mehr die bösen Taten der Gottlosen mitmachen, werden sie von ihnen verspottet:
… um … nicht mehr den Begierden der Menschen, sondern dem Willen Gottes zu leben. Denn die vergangene Zeit ist genug, den Willen der Nationen vollbracht zu haben, als ihr wandeltet in Ausschweifungen, Begierden, Trunkenheit, Festgelagen, Trinkgelagen und frevelhaften Götzendiensten. Hierbei befremdet es sie, dass ihr nicht mehr mitlauft in demselben Strom der Heillosigkeit, und sie lästern. (1. Petrus 4,2–4)
Zur Äußerung Luthers „Wer aber einen Christen recht ansehen und beurteilen will, der tue es nach dem Glauben“ sollten wir die Gedanken, die Jakobus in seinem Brief niedergeschrieben hat, lesen:
Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? (Jakobus 2,14)
… dass der Glaube ohne die Werke nutzlos ist. (Jakobus 2,20)
Jakobus lehrt hier nichts anderes als Paulus. Auch Jakobus lehrt nicht, dass man durch gute Werke gerettet werden kann. Die Werke sind Früchte eines lebendigen Glaubens und dessen notwendige Folge. So schreibt es auch Paulus zum Beispiel in Epheser 2,8–10:
Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch den Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme. Denn wir sind sein Gebilde, in Christus Jesus geschaffen zu guten Werken, die Gott vorher bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.
4 Martin Luther lehnte Teile der Heiligen Schrift ab
Über den Hebräerbrief schrieb er unter anderem:
Über das (hinaus) bietet er eine große Schwierigkeit dadurch, dass er im 6. und 10. Kapitel die Buße den Sündern nach der Taufe stracks verneinet und versagt und Kapitel 12,17 sagt, Esau habe Buße gesucht und doch nicht gefunden, was wider alle Evangelien und Briefe des Paulus ist. Und obwohl man einen Ausweg aus der Schwierigkeit suchen möchte, so lauten doch die Worte so klar, dass ich nicht weiß, obs möglich sei. Mich dünkt, es handle sich um einen Brief aus vielen Stücken zusammengesetzt und nicht überall in gleicher Höhenlage.
Wie dem allen sein mag, so ists doch ein ausbündig gelehrter Brief, der vom Priestertum Christi meisterlich und gründlich aus der Schrift redet, dazu das Alte Testament fein und reichlich ausleget, so dass es offenbar ist, er stamme von einem trefflichen, gelehrten Manne, der ein Jünger der Apostel gewesen, viel von ihnen gelernet hat und gründlich aus der Schrift geübt ist. Und ob er wohl nicht den Grund des Glaubens legt, wie er selbst Kapitel 6,1 bezeugt, welches der Apostel Amt ist, so bauet er doch fein drauf Gold, Silber, Edelsteine, wie Paulus 1.Korinther 3,12 sagt. Deshalb soll uns nicht hindern, ob vielleicht etwas Holz, Stroh oder Heu mit untergemenget werde, sondern wir wollen solche feine Lehre mit allen Ehren aufnehmen, nur dass man sie den apostolischen Briefen nicht in allen Dingen gleichstellen soll.10
Über den Jakobusbrief:
Den Brief des Jakobus, obwohl er von den Alten verworfen ist, lobe ich und halte ihn doch für gut, und zwar deshalb, weil er gar keine Menschenlehre aufstellt und Gottes Gesetz eifrig treibt. Aber, auf dass ich meine Meinung darüber begründe, jedoch ohne irgendjemands Nachteil: ich erachte ihn für keines Apostels Schrift. Und dies ist meine Ursache dafür:
Aufs erste, dass er stracks wider Paulus und alle andere Schrift den Werken die Rechtfertigung zuschreibt und sagt, Abraham sei aus seinen Werken gerechtfertigt worden, da er seinen Sohn opferte, obwohl doch Paulus Römer 4 entgegengesetzt lehret, dass Abraham ohne Werke, ehe er denn seinen Sohn opferte, gerechtfertigt worden sei, allein durch seinen Glauben, und das mit 1. Mose 15,6 beweist. Wenn nun diesem Brief vielleicht geholfen und für solche Rechtfertigung der Werke ein erklärender Zusatz gefunden werden möchte, kann man ihn doch darin nicht schützen, dass er den Spruch 1.Mose 15,6 – welcher allein von Abrahams Glauben und nicht von seinen Werken sagt, wie ihn Paulus Römer 4,3 ff. anführet – doch auf die Werke bezieht. Darum ergibt dieser Mangel, dass er von keinem Apostel stamme.
Aber dieser Jakobus tut nicht mehr, als zu dem Gesetz und seinen Werken treiben, und wirft eins so unordentlich ins andere, dass mich dünkt, es sei irgendein guter, rechtschaffener Mann gewesen, der etliche Sprüche von den Jüngern der Apostel aufgenommen und so aufs Papier geworfen hat, oder (es) ist vielleicht nach seiner Predigt von einem andern niedergeschrieben. Er nennet (z. B.) das Gesetz ein Gesetz der Freiheit, obwohl es Paulus doch ein Gesetz der Knechtschaft, des Zorns, des Tods und der Sünde nennet.
Aufs zweite, dass er Christenleute lehren will und gedenkt nicht einmal in solcher langen Lehre des Leidens, der Auferstehung, des Geists Christi: er nennet Christus etliche Male, aber er lehret nichts von ihm, sondern spricht vom allgemeinen Glauben an Gott. Denn das Amt eines rechten Apostels ists, dass er von Christi Leiden und Auferstehen und Amt predige und für diesen Glauben den Grund lege, wie Christus selbst sagt Johannes 15,27: „Ihr werdet von mir zeugen.“ Und darin stimmen alle rechtschaffenen, heiligen Bücher überein, dass sie allesamt Christus predigen und treiben. Das ist auch der rechte Prüfstein, alle Bücher zu beurteilen, wenn man siehet, ob sie Christus treiben oder nicht. Sintemal alle Schrift Christus zeiget, Römer 3,22f, und Paulus nichts als Christus wissen will, 1. Korinther 2,2. Was Christus nicht lehret, das ist nicht apostolisch, wenns gleich Petrus oder Paulus lehret; umgekehrt, was Christus predigt, das ist apostolisch, wenns gleich Judas, Hannas, Pilatus und Herodes täte.Darüber hinaus zitiert er die Sprüche 1. Petrus 4,8: „Die Liebe bedeckt der Sünden Menge“, ferner 1. Petrus 5,6: „Demütigt euch unter die Hand Gottes“, ferner das Wort des Paulus Galater 5,17: „Den Geist gelüstet wider das Fleisch“, obwohl doch Jakobus bereits früh von Herodes zu Jerusalem (und zwar) vor Petrus getötet worden war, so dass sicher scheint, dass der (Verfasser des Briefes) lange nach Petrus und Paulus gelebt habe.11
In Summa: er hat denen wehren wollen, die sich auf den Glauben ohne Werke verließen und ist für diese Sache an Geist, Verstand und Worten zu schwach gewesen. Er zerreißt die Schrift und widersteht damit Paulus und aller Schrift, wills mit Gesetz Treiben ausrichten, was die Apostel mit Anreizen zur Liebe ausrichten. Darum will ich ihn nicht in meiner Bibel in der Zahl der rechten Hauptschriften haben, will aber damit niemand wehren, dass er ihn stelle und hochhalte, wie es ihn gelüstet, denn es sind sonst viele gute Sprüche darinnen. „Ein Mann ist kein Mann in weltlichen Sachen“ (sagt das Sprichwort): wie sollte dann dieser Einzelne nur allein wider Paulus und alle andere Schrift gelten?12
Es würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, auf alle Details dieses Zitats einzugehen. Deshalb nur eine Anmerkung zu einem wesentlichen Punkt. Luther nimmt hier nicht zur Kenntnis, dass Jakobus und Paulus den Begriff „Werke“ unterschiedlich verwenden. Paulus lehnt die Gesetzeswerke ab. Jakobus geht es aber um die Werke der Liebe, die nicht vernachlässigt werden sollen.
Über das Buch der Offenbarung:
An diesem Buch der Offenbarung Johannes lass ich auch jedermann seines Sinnes walten, will niemand an meine Meinung oder Urteil gebunden haben. Ich sage, was ich fühle. Mir mangelt an diesem Buch verschiedenes, so dass ichs weder für apostolisch, noch für prophetisch halte: aufs erste und allermeiste, dass die Apostel nicht mit Gesichten umgehen, sondern mit klaren und dürren Worten weissagen, wie es Petrus, Paulus, Christus im Evangelium auch tun. Denn es gebührt auch dem apostolischen Amt, klar verständlich und ohne Bild oder Gesicht von Christus und seinem Tun zu reden.
Auch gibt es keinen Propheten im Alten Testament, geschweige denn im Neuen, der so ganz durch und durch mit Gesichten und Bildern umgehe, dass ich (die Offenbarung Johannes) bei mir fast dem vierten Buch Esra13 gleich achte und in allen Dingen nicht spüren kann, dass es von dem heiligen Geist verfasst sei.
Dazu dünkt mich das allzuviel, dass er so streng (in Bezug auf) solch sein eigenes Buch, mehr als irgendein anderes heiliges Buch tut – woran viel mehr gelegen wäre – befiehlt und drohet, wer etwas davon tue, von dem werde Gott auch tun (22,19) usw. Umgekehrt sollen selig sein, die da halten, was drinnen stehet (1,3), obwohl doch niemand weiß, was es ist, geschweige, dass ers halten sollte, und es ebenso viel ist, als hätten wirs nicht, auch wohl viele edle Bücher vorhanden sind, die zu halten sind.
Es haben auch viele der Väter dieses Buch vorzeiten verworfen und wenns auch Hieronymus mit hohen Worten anführt und sagt, es sei über alles Lob (erhaben) und so viele Geheimnisse drinnen wie Wörter, so kann er davon doch nichts beweisen und ist wohl an mehr Orten mit seinem Lob zu freigiebig.
Endlich meine davon jedermann, was ihm sein Geist gibt, mein Geist kann sich in das Buch nicht schicken, und ist mir dies Ursache genug, dass ich sein nicht hochachte, dass Christus drinnen weder gelehret noch erkannt wird, welches zu tun ein Apostel doch vor allen Dingen schuldig ist, wie Christus Apostelgeschichte 1,8 sagt: „Ihr sollt meine Zeugen sein.“ Darum bleibe ich bei den Büchern, die mir Christus hell und rein dargeben.14
Ein positiveres Urteil über die Offenbarung findet sich allerdings in einer späteren Vorrede zur Offenbarung Johannes aus dem Jahr 1530.
Auf jeden Fall gibt es zu denken, wie es möglich ist, dass eine so bedeutende und als Christ hervorgehobene Persönlichkeit wie Luther die oben angeführten von Gott inspirierten Schriften nicht anerkannte (vergleiche Johannes 7,16–17).
5 Martin Luther lehrte Unbiblisches über Maria
Jungfräulichkeit Marias auch IN der Geburt (dadurch auch Leugnung der wahren Menschheit Jesu):
Ich glaube, dass er mir geboren ist von der reinen Jungfrau Maria ohne allen Schaden ihrer leiblichen und geistlichen Jungfrauschaft, auf dass er nach der Ordnung väterlicher Barmherzigkeit meine und aller seiner Gläubigen sündliche und verdammte Geburt gesegnet, unschädlich und rein machte.15
Diese Jungfrau kennt keinen Verlust der Jungfräulichkeit. Sie bleibt unverletzt und keusch.16
Das ist also das Zeichen: hier steht eine Schwangere. Wenn es umgekehrt würde, wäre es deutscher und deutlicher. Eine schwangere und gebärende „Jungfrau vor, in und nach der Geburt“. Dieser unser Glaubensartikel ist ein göttliches Wunder. … So bezeugt es der Prophet, dass dieser der Immanuel sei, geboren aus der „Jungfrau vor, in und nach der Geburt“.17 Hier müssen die Mutter und dieser Sohn den Namen haben, als seien sie unrein, als habe das Gesetz sie getroffen. Denn obschon dieses Gebot mit den vierzig Tagen alle anderen Mütter und Kinder trifft, so trifft’s doch diese Mutter und dies Kind nicht. Denn das Gesetz sagt: Alles Männliche, das die Mutter zuerst gebiert. Das Gebären ist (aber) allein von denen gesagt, die die Jungfrauschaft verloren und von einem Mann ein Kind haben. Das ist dieser Mutter (aber) nicht geschehen; denn sie ist in der Geburt und nach der Geburt, wie sie Jungfrau war vor der Empfängnis und Geburt, also auch geblieben. Und ist ihr kein Schaden, weder am Leibe noch an der Jungfrauschaft widerfahren. Andern Weibern kommt’s nicht mit Lachen oder Kurzweil an, sondern sie müssen Angst und Schmerzen fühlen, wie Gott zu Eva sagte: „Mit Schmerzen sollst du deine Kinder gebären!“ (1.Mose 3,16) Aber hier ist es ohne Schmerzen und Versehrung zugegangen, und eitel Freude gewesen, da sie das Kind geboren hat.18
Luther argumentiert nicht und erklärt nicht, sondern er stellt seinen Hörern die erstmals im Protoevangelium des Jakobus, einer apokryphen Schrift, bezeugten Lehre, dass Maria auch während ihrer Geburt ihre Jungfräulichkeit bewahrt hat, wie eine Tatsache vor Augen. Seine Ausführungen haben ernsthafte Konsequenzen, sowohl was Maria als auch was Jesus betrifft. Da Maria und Jesus Menschen waren, waren sie wie jeder andere Mensch allen biologischen und physikalischen Gesetzen unterworfen. Wenn nun Jesus bzw. Maria wirkliche Menschen waren, konnte Maria nach der Geburt Jesu nicht mehr Jungfrau bleiben. Außerdem ist es unverständlich, warum man über so ein „wunderbares“ Ereignis nur aus einer apokryphen Quelle weiß, während die beiden Evangelisten, die in langen Kapiteln über Geburt und Kindheit Jesu berichten, auf diese angebliche Tatsache in keiner Weise hinweisen. Aber offensichtlich war diese „Tatsache“ nicht einmal den gnostischen Doketisten bekannt, welche darin ein starkes Argument für ihre Lehre gefunden hätten, nach der Jesus keinen materiellen Leib, sondern nur einen Scheinleib hatte. Es wäre auch eine kühne Annahme, dass eine wahre Lehre so sehr mit einer der größten Irrlehren übereinstimmen würde.
6 Luther forderte im Bauernkrieg die Fürsten zur Brutalität gegen die Bauern auf
Die Texte der verbleibenden vier Kapitel bedürfen keines umfangreichen Kommentars. Wir fügen nur manchmal kurze Erklärungen hinzu. Wir hoffen, dass jeder Leser durch diese Zitate genügend Grund hat, sich eine klare Meinung über Leben und Lehre Martin Luthers zu bilden. Um allen Missverständnissen vorzubeugen, sei hier klar zum Ausdruck gebracht, dass wir uns von allen Gewaltaufrufen und Beschimpfungen in den folgenden Texten auf das Entschiedenste distanzieren.
Luther:
Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und daran denken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch; (es ist mit ihm) so wie man einen tollen Hund totschlagen muss: schlägst du (ihn) nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit dir.19
Am Ende ist noch eine Sache, welche die Obrigkeit billig bewegen soll. Denn die Bauern lassen sich nicht daran genügen, dass sie des Teufels sind, sondern sie zwingen und dringen viel rechtschaffene Menschen, die es ungerne tun, zu ihrem teuflischen Bunde und machen diese so aller ihrer Bosheit und Verdammnis teilhaftig. Denn wer ihnen (ihr Verlangen) bewilligt, der fährt auch mit ihnen zu Teufel und ist aller Übeltat schuldig, die sie begehen. Und (diese Menschen) müssens doch tun, weil sie so schwachen Glaubens sind, dass sie dem (Verlangen der Bauern) nicht widerstehen. Denn hundert Tode sollte ein frommer Christ erleiden, ehe er ein Haarbreit in der Bauern Sache willigte. Oh, viel Märtyrer könnten jetzt durch die blutdürstigen Bauern und durch Mordpropheten werden! Nun, solcher Gefangener unter den Bauern sollte sich die Obrigkeit erbarmen; und wenn sie sonst keine Ursache hätte, das Schwert getrost gegen die Bauern gehen zu lassen und selbst Leib und Gut daranzusetzen, so wäre doch diese übergroß genug, dass man solche Seelen, die durch die Bauern zu solchem teuflischen Bündnis gezwungen und ohne ihren Willen mit ihnen so gräulich sündigen und verdammt werden müssen, errettete und ihnen helfe. Denn solche Seelen sind recht im Fegefeuer, ja in der Hölle und des Teufels Banden.
Darum, liebe Herren, erlöset hier, rettet hier, helft hier, erbarmt euch der armen Menschen: steche, schlage, töte hier, wer da kann. Bleibst du drüber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmermehr finden. Denn du stirbst im Gehorsam göttlichen Wortes und Befehls, Röm 13,4 ff., und im Dienst der Liebe, deinen Nächsten aus der Hölle und des Teufels Banden zu erretten.20
7 Luther forderte die Verfolgung der Täufer
Eine wichtige Forderung der Täuferbewegung war eine Gemeinde, die nur aus Gläubigen bestand. Aus diesem Grund wurde sie von den alten (römisch‐katholischen) und neuen (protestantischen) Volkskirchen als große Gefahr für die Gesellschaft gesehen.
Auf dem zweiten Reichstag zu Speyer 1529 beschlossen daher die protestantischen Stände (Fürsten und Reichsstädte) gemeinsam mit den katholischen, dass die “Wiedertaufe” mit dem Tode zu bestrafen sei.
Vor diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund sind folgende Stellungnahmen Luthers zur Frage der Täufer zu betrachten.
Luther:
Und ein Bürger ist schuldig, wo solcher Winkelschleicher einer zu ihm kommt, ehe denn er denselbigen hört oder lehren läßt, daß ers seiner Obrigkeit ansage und auch dem Pfarrherrn, des Pfarrkind er ist. Tut er das nicht, so soll er wissen, daß er als ein Ungehorsamer seiner Obrigkeit wider seinen Eid tut und als ein Verächter seines Pfarrherrn (dem er Ehre schuldig ist) wider Gott handelt, dazu selbst schuldig ist und gleich auch mit dem Schleicher ein Dieb und Schalk wird,…
Denn er wollt solch Exempel, ohne Beruf zu predigen, nicht gestatten. So gedenk nun ein jeglicher: Will er predigen oder lehren, so beweise er den Beruf und Befehl, der ihn dazu treibt und zwingt oder schweige stille. Will er nicht, so befehle die Obrigkeit solchen Buben dem rechten Meister, der Meister Hans21 heißt. Das ist als denn sein Recht als der gewißlich einen Aufruhr oder noch Ärgeres im Sinn hat, unter dem Volk anzurichten. Hier sprichst du vielleicht zu mir: Warum lehrest du denn mit deinen Büchern in aller Welt, so du doch allein zu Wittemberg Prediger bist? Antwort: Ich habs nie gern getan, tue es auch noch nicht gern. Ich bin aber in solch Amt erstlich gezwungen und getrieben, da ich Doctor der heiligen Schrift werden mußte ohne meinen Dank. Da fing ich an als ein Doctor, dazumal von päpstlichem und kaiserlichem Befehl, in einer allgemeinen Hochschule wie einem solchen Doctor nach seinem geschworenen Amt gebührt, für alle Welt die Schrift auszulegen und jederman zu lehren. Habe auch also, nachdem ich in solch Wesen gekommen bin, müssen drinnen bleiben, kann auch noch nicht mit gutem Gewissen zurück oder ablassen, ob mich gleich Papst und Kaiser drüber verbannten. Denn was ich hab angefangen als ein Doctor, aus ihrem Befehl gemacht und berufen, muß ich wahrlich bis an mein Ende bekennen und kann nun fort nicht schweigen noch aufhören wie ich wohl gern wollte und auch wohl so müde und unlustig bin über der großen unleidlichen Undankbarkeit der Leute. Wiewohl wenn ich schon kein solcher Doctor wäre, so bin ich dennoch ein berufener Prediger und habe die Meinen wohl mögen mit Schriften lehren. Ob nun andere mehr solche meine Schriften auch begehrten und mich darum gebeten haben, bin ichs schuldig gewesen zu tun. Denn ich mich damit nirgend selbst eingedrungen, noch von jemand begehrt oder gebeten, dieselbigen zu lesen, gleichwie andere mehr fromme Pfarrherrn und Prediger Bücher schreiben und niemand wehren noch treiben zu lesen und damit auch in aller Welt lehren, und laufen und schleichen doch nicht wie diese losen unberufenen Buben in fremde Ämter ohne Wissen und Willen der Pfarrherrn, sondern haben ein gewisses Amt und Befehl, der sie treibt und zwingt22. …
Kurz: Nach Martin Luther haben nur durch staatliche oder staatskirchliche Institutionen berufene Prediger das Recht, mit anderen über die Bibel zu reden. Wer diese Befugnis nicht vorweisen kann, soll hingerichtet werden. Luther beruft sich darauf, dass er “dazumal von päpstlichem und kaiserlichem Befehl” als ein Doktor einer allgemeinen Hochschule angefangen hat. Welche Chancen hätten Petrus oder Johannes, “ungelehrte und ungebildete Leute” (Apostelgeschichte 4,13) vor Luther gehabt? Nach seiner Argumentation hätte Luther hier eindeutig auf der Seite des Hohen Rats und nicht auf der Seite der Apostel gestanden.
Luther:
Und erstlich sind sie damit wohl und leichtlich zu ergreifen, wenn man sie fragt um ihre Vocation, wer sie habe heißen herschleichen oder kommen und im Winkel so predigen, so mögen sie keine Antwort geben noch ihren Befehl anzeigen. Und ich sage fürwahr, wenn solche Schleicher sonst kein Unthätlein an sich hätten und eitel Heilige wären, so kann doch dies einige Stück (das sie ohne Befehl und ungefordert kommen geschlichen) sie für Teufelsboten und Lehrer mit Gewalt überzeugen. Denn der heilige Geist schleicht nicht, sondern fleugt öffentlich vom Himmel herab. Die Schlangen schleichen, aber die Tauben fliegen: darum ist solch Schleichen der rechte Gang des Teufels, das fehlet nimmermehr. Ich hab hören sagen, wie sich die Schleicher können finden zu den Arbeitern in der Ernte und auf dem Felde unter der Arbeit predigen, also auch zu den Köhlern und einzelnen Leuten in den Wäldern, und allenthalben ihren Samen säen und Gift ausblasen, wenden die Leute ab von ihren Pfarrkirchen. Wären sie von Gott und rechtschaffen, so würden sie zu allererst sich zum Pfarrer finden und mit demselbigen handeln, ihren Beruf anzeigen, und erzählen, was sie glaubten, und ob sie derselbige wolle zulassen, öffentlich zu predigen. Würde sie der Pfarrherr alsdann nicht zulassen, so wären sie entschuldigt vor Gott, und möchten alsdann von ihren Füßen den Staub abschlagen. Denn der Pfarrherr hat ja den Predigtstuhl, Taufe, Sakrament inne und alle Seelsorge ist ihm befohlen. Aber nun wollen sie den Pfarrherrn heimlich ausbeißen mit all seinem Befehl, und doch nicht anzeigen ihren heimlichen Befehl; das sind rechte Diebe und Mörder der Seelen, Lästerer und Feinde Christi und seiner Kirche.23
Hätten diese von Luther als “Schleicher und Winkelprediger” verleumdeten Menschen ihren Glauben in der von Luther geforderten Weise öffentlich kundgetan, so wäre das nach dem Beschluss des zweiten Reichstags von Speyer einem Selbstmord gleichgekommen. Es ist nur eine Verspottung dieser Menschen, ihnen zuerst das Todesurteil anzudrohen und ihnen anschließend vorzuwerfen, dass sie ihre Überzeugung nur im Geheimen (auch dann noch unter Lebensgefahr!) weitergeben.
8 Luthers Einstellung zu behinderten Menschen
Luther:
“Vor acht Jahren war zu Dessau eines (ein Wechselkind)24, das ich Doctor Martinus Luther gesehen und angegriffen habe, welches zwölf Jahre alt war, seine Augen und alle Sinne hatte, dass man meinte, es wäre ein recht Kind. Dasselbige thät nichts, denn daß es nur fraß, und zwar so viel als irgend vier Bauern oder Drescher … Wenns übel im Hause zuging, daß Schaden geschah, so lachete es und war fröhlich; gings aber wol zu, so weinete es. Diese zwo Tugend hatte es an sich. Da sagte ich zu den Fürsten zu Anhalt: Wenn ich da Fürst oder Herr wäre, so wollte ich mit diesem Kinde in das Wasser, in die Molda, die zu Dessau fleußt, und wollte das homicidium dran wagen! Aber der Kurfürst zu Sachsen, so mit zu Dessau war, und die Fürsten zu Anhalt wollten mir nicht folgen. Da sprach ich: So sollten sie in der Kirchen die Christen ein Vater Unser beten lassen, dass der liebe Gott den Teufel wegnehme. Das thäte man täglich zu Dessau; da starb dasselbige Wechselkind im andern Jahre danach. …”
Anno 1541 hat D. Luther dieser Historie auch über Tische gedacht, und daß er den Fürsten von Anhalt gerathen hätte, man sollte den Wechselbalg oder den Kielkropf … ersäufen. Da ward er gefraget: “Warum er solches gerathen hätt?” Antwortete er drauf: “Daß ers gänzlich dafür hielte, daß solche Wechselkinder nur ein Stück Fleisch, eine massa carnis, sein, da keine Seele innen ist; denn solches könne der Teufel wol machen, wie er sonst die Menschen, so Vernunft, ja Leib und Seele haben, verderbt, wenn er sie leiblich besitzet, dass sie weder hören, sehen, noch etwas fühlen, er machet sie stumm, taub, blind. Da ist denn der Teufel in solchen Wechselbälgen als ihre Seele.25
9 Luther hatte eine unmenschliche Haltung gegenüber den Juden
Luther:
Ich hab‘ viel Historien gelesen und gehört von den Juden, so mit diesem Urteil Christi stimmen. Nämlich, wie sie die Brunnen vergiftet, heimlich gemordet, Kinder gestohlen, wie droben gemeldet. Item, dass ein Jude dem andern über Feld einen Topf voll Bluts, auch durch einen Christen, zugeschickt, item, ein Fass Wein, da das ausgetrunken, ein toter Jude im Fasse gefunden, und dergleichen viel. Und das Kinderstehlen hat sie oft (wie droben gesagt) verbrennet und verjagt. Ich weiß wohl, dass sie solches und alles leugnen. Es stimmet aber alles mit dem Urteil Christi, dass sie giftige, bittere, rachgierige, hämische Schlangen, Meuchelmörder und Teufelskinder sind, die heimlich stechen und Schaden tun, weil sie es öffentlich nicht vermögen. Darum ich gerne wollte, sie wären, da keine Christen sind. Der Türke und andere Heiden leiden solches nicht von ihnen, was wir Christen von den giftigen Schlangen und jungen Teufeln leiden, sie tun’s auch niemand als uns Christen. Das ist’s, das ich droben gesagt habe, dass ein Christ, nächst dem Teufel, keine giftigeren, bittereren Feind habe als einen Juden, so wir doch niemand so viel Guts tun, noch so viel von jemand leiden, als eben von solchen bösen Teufelskindern und Schlangengezüchte.
Wer nun Lust hat, solche giftige Schlangen und junge Teufel, das ist die ärgesten Feinde Christi, unsers Herrn und unser aller zu herbergen, zu füttern und zu ehren und sich zu schinden, rauben, plündern, zu speien, zu fluchen und alles übels zu leiden begehrt, der lasse sich diese Juden treulich befohlen sein. Ist’s nicht genug, so lasse er ihm auch ins Maul tun oder krieche ihm in den Hintern und bete dasselbige Heiligtum an, rühme sich darnach, er sei barmherzig gewesen, habe den Teufel und seinen jungen Teufel gestärkt, zu lästern unsern lieben Herrn und das teure Blut, damit wir Christen erkauft sind. So ist er denn ein vollkommener Christ, voller Werke der Barmherzigkeit, die ihm Christus belohnen wird am jüngsten Tage mit den Juden im ewigen höllischen Feuer.26Demnach soll und muss es uns Christen kein Scherz, sondern großer Ernst sein, hierwider Rat zu suchen und unsere Seelen von den Juden, das ist: vom Teufel und ewigen Tod, zu erretten. Und ist der, wie droben gesagt, erstlich:
Dass man ihre Synagoge mit Feuer verbrenne und werfe hierzu, wer da kann, Schwefel und Pech; wer auch höllisch Feuer könnte zuwerfen, wäre auch gut. Auf dass Gott unsern Ernst, und alle Welt solch Exempel sehen möchte, dass wir solch Haus (darin die Juden Gott, unsern lieben Schöpfer und Vater, mit seinem Sohn so schändlich gelästert hätten) bisher unwissend geduldet, nunmehr ihm seinen Lohn gegeben hätten.
Zum andern, dass man ihnen alle ihre Bücher nehme, Betbücher, Talmudisten, auch die ganze Bibel, und nicht ein Blatt ließe, und verwahrte auf die, so sich bekehreten. Denn sie des alles brauchen zu lästern den Sohn Gottes, das ist: Gott selbst den Vater, Schöpfer Himmels und der Erde (wie gesagt ist) und werden’s nimmermehr anders brauchen.
Zum dritten, dass man ihnen verbiete, bei uns und in dem Unsern öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren bei Verlust Leibes und Lebens. In ihrem Lande mögen sie das tun, oder wo sie können, da wir Christen es nicht hören noch wissen können. Ursache: ihr Lob, Dank, Gebet und Lehren ist eitel Gotteslästern, Fluchen, Abgötterei, weil ihr Herz und Maul Gott den Vater Hebel Vorik nennen, wie sie seinen Sohn, unsern Herrn Jesum, nennen. Denn, wie sie den Sohn nennen und ehren, so ist der Vater auch genannt und geehret. Hilft ihnen nicht, dass sie viel schöne Worte brauchen und Gottes Namen herrlich führen. Denn es heißt (2.Mose 20.7): „du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen.“ Gleichwie es ihren Vorfahren nichts half, dass sie Gottes Namen führeten und ihn doch Baal nenneten, zu den Zeiten der Könige Israels.
Zum vierten, dass ihnen verboten werde, den Namen Gottes vor unsern Ohren zu nennen. Denn wir können’s mit gutem Gewissen nicht hören noch leiden, weil ihr lästerlich, verflucht Maul und Herz Gottes Sohn Hebel Vorik nennen, und damit seinen Vater auch so nennen müssen, der’s nicht anders verstehen kann noch will, wie wir Christen solches auch nicht anders verstehen können, die wir glauben müssen, wie der Sohn genannt wird und geehret, so wird auch der Vater geehret und genannt. Darum der Juden Maul nicht soll wert gehalten werden bei uns Christen, dass es Gott sollte vor unsern Ohren nennen, sondern, wer es vom Juden höret, dass er’s der Oberkeit anzeige oder mit Saudreck auf ihn werfe, sofern er ihn siehet, und von sich jage. Und sei hierin niemand barmherzig noch gütig. Denn es betrifft Gottes Ehre und unser aller (der Juden auch) Seligkeit.27Ja, wie wollen wir tun, wenn wir gleich den Juden ihre Synagoge verbrennen, Gott loben, beten, lehren, Gottes Namen nennen, öffentlich verbieten usw., gleichwohl werden sie es doch heimlich nicht lassen. Und weil wir wissen, dass sie es heimlich tun, so ist’s ebensoviel, als täten sie es öffentlich. Denn, was man weiß, das heimlich geschieht und geduldet wird, das heißt doch nicht heimlich, und gleichwohl unser Gewissen damit vor Gott beschweret ist. Wohlan, da mögen wir uns vorsehen. Meines Dünkens will’s doch da hinaus: sollen wir von der Juden Lästerung rein bleiben und ihrer nicht teilhaftig werden, so müssen wir geschieden sein, und sie aus unserm Lande vertrieben werden. Sie mögen gedenken an ihr Vaterland, so dürfen sie nicht mehr vor Gott über uns schreien und lügen, dass wir sie gefangen halten, wir auch nicht klagen, dass sie uns mit ihrem Lästern und Wuchern beschweren. Dies ist der nächste und beste Rat, der beide Parteien in solchem Fall sichert.28
Noch in seiner letzten Predigt, drei Tage vor seinem Tod, hielt Luther an seinem Judenhass fest:
Darum seid unverworren mit ihnen als mit denen, die da nichts anders bei euch tun, denn das sie unsern lieben HErrn Jesum Christum gräulich lästern, stehen uns nach Leib, Leben, Ehre und Gut. Noch wollen wir die christliche Liebe an ihnen üben und für sie bitten, dass sie sich bekehren, den HErrn annehmen, den sie vor uns billig ehren sollten. Welche solchs nicht tun will, da setze es in keinem Zweifel, dass er ein verböster Jude ist, der nicht ablassen wird, Christus zu lästern, dich auszusaugen und (wo er kann) zu töten.
Wollen sich die Juden zu uns bekehren und von ihrer Lästerung und was sie uns sonst getan haben aufhören, so wollen wir es ihnen gerne vergeben. Wo aber nicht, so sollen wir sie auch bei uns nicht dulden noch leiden.29
10 Schluss
Unsere Sammlung von Lutherzitaten hat nicht das Ziel eine umfassende, alle Details des Lebens und der Lehre ausleuchtende Darstellung zu liefern. Das Ziel unserer Abhandlung ist die Warnung vor einem Irrlehrer. Damit leugnen wir nicht, dass er auch Vieles gut und richtig gesagt hat. Als Jesus in Matthäus 23 mit scharfen Worten gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten geredet hat, hat er dadurch nicht all das Gute geleugnet, das die Pharisäer ohne Zweifel auch getan haben.
Jeder, der weitergeht und nicht in der Lehre des Christus bleibt, hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, der hat sowohl den Vater als auch den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht! Denn wer ihn grüßt, nimmt teil an seinen bösen Werken. (2. Johannes 9–11)
- Disputatio Heidelbergae habita, 1518: Luther Deutsch, Ergänzungsband Lutherlexikon, Hsg. Kurt Aland, Göttingen 3. Aufl. 1974, S. 390; vgl. Weimarer Ausgabe (WA) 1,358,33–34. ↩
- De servo arbitrio – Vom unfreien Willen, 1525: Luther Deutsch, Bd 3, S. 287, vgl. WA 18,718. ↩
- De servo arbitrio – Vom unfreien Willen, 1525: Luther Deutsch, Hsg. Kurt Aland, Bd. 3, Stuttgart 3. Auflage 1961, S. 171; vgl. WA 18,615. ↩
- De servo arbitrio – Vom unfreien Willen, 1525 Luther Deutsch, Erg.Bd. Lutherlexikon, S. 390f, vgl. WA 18,635,17–22. ↩
- Mit diesem Ausdruck wollen wir nicht behaupten, dass Luthers Denken grundsätzlich dualistisch in dem Sinne war, dass er Satan und Gott auf einer Ebene gesehen hat. Wir beziehen uns hier nur auf diese konkrete Stelle, an der sich Luther in seiner Ablehnung des freien Willens auf eine Position begeben hat, die sonst nicht seinem Denken entspricht. ↩
- De servo arbitrio – Vom unfreien Willen, 1525: Luther Deutsch, Erg.Bd. Lutherlexikon, S. 390, vgl. WA 18,638,4–11. ↩
- De servo arbitrio – Vom unfreien Willen, 1525: Luther Deutsch, Bd 3, S. 326 f., vgl. WA 18,783. ↩
- Weihnachtspostille 1522: Luther Deutsch, Erg.Bd. Lutherlexikon, S. 57 f., vgl. WA 10I1,137,18–138,5 – Zur angeführten Bibelstelle ist zu sagen, dass auch moderne Ausgaben der Lutherbibel diese Stelle anders übersetzen: „Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter Euch.“ Jesus sprach hier nicht von einem äußerlich verborgen bleibenden Wirken Gottes sondern, dass mit ihm das Reich Gottes unter den Menschen gegenwärtig ist. Jesus hat dieses Wort auch nicht zu Christen, sondern zu seinen Gegnern, den Pharisäern gesprochen. Es kann hier also nicht um das unsichtbare Christsein gehen. ↩
- Hauspostille 1544, Von der Frucht der Auferstehung Christi: Luther Deutsch, Erg.Bd. Lutherlexikon, S.58, vgl. WA 52,251, 18–24. ↩
- Vorrede zum Hebräerbrief, 1522: Luther Deutsch, Hsg. Kurt Aland, Bd. 5, Stuttgart 2. Auflage 1963, S. 62, vgl. WA DB 7,344. ↩
- Luther beruft sich hier irrtümlicherweise auf Apostelgeschichte 12,1–2, wo es aber nicht um den Autor des Jakobusbriefes, den „Herrenbruder“ – vermutlich ein Cousin Jesu – geht, sondern um den Apostel Jakobus, den Sohn des Zebedäus, den Bruder des Johannes. ↩
- Vorrede zum Jakobusbrief, 1522: Luther Deutsch, Bd. 5, S. 62–64, Vgl. WA DB 7,384–386. ↩
- Das 4. Buch Esra ist eine nicht kanonische apokryphe Schrift. ↩
- Vorrede zur Offenbarung Johannes, 1522: Luther Deutsch, Bd. 5, S. 65 f., vgl. WA DB 7,404. ↩
- Eine kurze Form des Glaubensbekentnisses 1520: Luther Deutsch, hsg. Kurt Aland, Bd. 6, Stuttgart 2. Auflage 1966, S. 19; vgl. WA 7,117. ↩
- Predigt vom 24. Dezember 1528; Marienlob der Reformatoren S. 50; vgl. WA 27,475,25 f. ↩
- Predigt vom 24. Dezember 1540; Marienlob der Reformatoren S. 53; vgl. WA 49,182 f. ↩
- Predigt auf das Fest der Opferung Christi im Tempel, in Eisleben gehalten, 2. Februar 1546: Marienlob der Reformatoren, S. 53–54; vgl. WA 51,167,28–40. ↩
- Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525: Luther Deutsch, Bd. 7, S. 192; vgl. WA 18,358. ↩
- Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525: Luther Deutsch, Bd. 7, S. 196 f.; vgl. WA 18,361. ↩
- Gemeint ist der Henker ↩
- Der 82. Psalm durch D.M.L geschrieben und ausgelegt Anno 1530 – WA Abt. 1 Schriften, Bd. 31 I Psalmenauslegungen 1529/32, S. 210–212. ↩
- Luther Martin, Brief von den Schleichern und Winkelpredigern an Eberhard von der Tannen, Amtmann zu Wartburg, vom Jahre 1532 – Glaubensstimme: Luther, Martin. ↩
- Ein Wechselkind oder Wechselbalg ist im Aberglauben des europäisch‐christlichen Mittelalters ein Säugling (veraltet „Balg“), der einer Wöchnerin durch den Teufel, Druden oder Hexen im Austausch gegen ihr eigenes Kind untergeschoben wurde. (laut Wikipedia: Wechselbalg) ↩
- Martin Luther, Tischreden Nr. 5207 – Weimarer Ausgabe, Abt. 2 Tischreden, Bd. 5, S. 9. ↩
- Von den Juden und ihren Lügen 1543: Martin Luther, Schriften wider Juden und Türken, München 1936, S. 198f; vgl. WA 53,417–522. ↩
- Von den Juden und ihren Lügen 1543: Schriften wider Juden und Türken, S. 206 f. ↩
- Von den Juden und ihren Lügen 1543: Schriften wider Juden und Türken, S. 208 f. ↩
- Vier Predigten des Ehrwirdigen Herrn D. Martini Luthers zu Eisleben vor seinem abschied aus diesem leben getan, Gedruckt zu Wittemberg durch Hans Lufft, 1546 (Rechtschreibung durch uns aktualisiert). ↩