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Worum es uns mit diesem Thema geht
Die Frage nach der Existenz Gottes können wir nicht als eine rein theoretisch‐philosophische Frage abtun. Es geht um den Sinn unserer Existenz. Wir haben verschiedenste Gedanken gesammelt, die helfen sollen, eine klare Antwort auf diese Grundfrage des Menschen zu finden.
1 Einleitung
Im Laufe von Jahrhunderten haben sich viele Philosophen und Theologen mit der Frage der Existenz Gottes beschäftigt. Verschiedenste Arten von Argumenten für und wider wurden gesammelt. Diese Ausarbeitung enthält keine Liste und Beurteilung all dieser Argumente oder endgültige Beweise für Gottes Existenz, aber wir hoffen damit zu helfen, die Gründe für den Glauben oder Unglauben bei sich selbst zu beurteilen.
Viele Menschen würden gerne die Bedeutung des Lebens, Wahrheit und das wunderbare Geheimnis des Menschen oder allgemein die verschiedenen Aspekte der Realität tief verstehen, doch stolpern sie an dem Gedanken der Unvereinbarkeit des Glaubens an Gott mit verstandesgemäßem Denken. Wir würden gerne helfen diese Spannung zu beseitigen und aufzuzeigen, dass der wirkliche Glaube an Gott in Realität kein Zeichen eines Mangels des Denkens ist; sondern im Gegenteil kann jemand, der tief nachdenkt, erkennen, dass das Leben mehr als die vergängliche materielle Welt und die Wahrheit nicht nur eine abstrakte Idee ist.
Eine wichtige Bemerkung für den Anfang
Die Anerkennung der Existenz Gottes berührt den Menschen in seinem tiefsten Inneren und fordert ihn auf Stellung zu beziehen; denn wer Gottes Existenz akzeptiert, sollte sein ungläubiges und egoistisches Leben völlig aufgeben und der Forderung nach Gottesfurcht entsprechen. Es bedeutet den völligen Verzicht auf seinen Stolz und Macht, welche in der Welt erreicht wurden und es erfordert Demut, die Akzeptanz der eigenen Kleinheit und Schwachheit. Die Argumente können jemandem helfen, die Existenz Gottes zu akzeptieren, aber die Gottesfurcht ist eine freie Entscheidung jedes Einzelnen, welche durch kein Argument erzwungen werden kann, sie hängt hingegen von der Offenheit und Einstellung des Einzelnen ab. Viele Menschen akzeptieren Gott nicht, weil sie ihr Leben nicht ändern wollen. Es muss hier angemerkt werden, dass die Akzeptanz der Existenz Gottes nicht gleichzusetzen ist mit dem Glauben an Gott, welcher bedeutet, mit ihm in täglicher Gemeinschaft und nach seinem Willen zu leben.
2 Einwände
Zuerst wollen wir einige der häufig angeführten Gründe behandeln, warum die Argumente für die Existenz Gottes nicht interessant oder überzeugend genug sind, behandeln.
Gott ist ein alter Mann Viele Menschen lehnen ein primitives Verständnis Gottes ab, demzufolge “Gott als ein alter Mann mit langem weißem Bart auf einer Wolke sitze.”
Dieses Bild hat sich durch zahlreiche Bilder, Gemälde und Statuen, welche den „Glauben“ einfach und greifbar machen sollten, in die Vorstellung der Menschen eingebrannt. Auch wir lehnen dieses falsche Gottesbild ab. Dies löst aber nicht die Frage nach Gottes Existenz. Jesu Lehre zeigt uns eine völlig andere Vorstellung von Gott, nämlich das der geistlichen und unsichtbaren Gottheit, welche weder materiell noch durch menschliche Kunst vorstellbar ist. „Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten.“ (Johannes 4,23–24)
Wissenschaftliche Beweise für Gottes Existenz Viele Menschen suchen wissenschaftliche Beweise für Gottes Existenz. Wenn wir über Gott sprechen, müssen wir den Unterschied zwischen dem Wesen der Dinge der materiellen Welt und dem Wesen des Einen, welcher über diesen Dingen steht, beachten. Die Wissenschaft kann nur die Dinge untersuchen und erklären, welche sich innerhalb des Rahmens des existierenden Universums befinden. Wenden wir den Begriff „Gott“ richtig an, setzen wir ihn als den Schöpfer aller Dinge voraus. Wir können ihn dann aber nicht als unseren eigenen Grenzen unterworfen betrachten, wenn er doch selbst diese Grenzen bestimmt hat. Deshalb werden diejenigen, welche Gottes Existenz durch wissenschaftliche Methoden beweisen oder auch widerlegen wollen, nie eine endgültige Antwort erhalten, wenngleich die Ergebnisse der Wissenschaft viel eher für den Glauben an Gott als für den Materialismus sprechen.
Gott soll sich zeigen Vielleicht sagt jemand auch: „Ich würde ja glauben, wenn Gott sich mir zeigen würde.“ Wie kann derjenige sicher sein, dass er dann glauben würde? Wenn jemand etwas nicht akzeptieren möchte, überzeugt ihn auch das klarste Zeichen nicht. Nur zur Veranschaulichung: Jeder konnte schon erfahren, dass man die Wahrheit leugnen kann. Wenn man nur einmal in seinem Leben lügt – und wer hat das nicht getan – hat man zumindest einmal die Wahrheit (über eine bestimmte Situation), die man doch kannte, geleugnet. Somit ist es eben möglich, dass jemand sieht, was richtig ist, es jedoch nicht annimmt. Es ist also nicht genug, dass die Wahrheit offenbart wird; auch die Annahme derselben ist vonnöten.
Wenn der allmächtige Gott sich jedoch mit seiner gesamten Kraft und Größe zeigen würde, wäre der Mensch allerdings gezwungen, an ihn zu „glauben“. Er wäre nicht mehr frei, sich selbst für ein Leben gemäß den Geboten Gottes zu entscheiden.
Unser Ziel hier ist aber gerade, darauf hinzuweisen, dass sich Gott in Wirklichkeit bereits in mannigfacher Weise den Menschen gezeigt hat und zeigt, ja dass er noch mehr zeigt, sofern Willen und Offenheit vorhanden sind.
Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres. (Albert Einstein)
Warum gibt es noch Leid und Böses? Viele Menschen können wegen des Bösen, das geschieht nicht glauben. Sie sagen: „Gäbe es tatsächlich einen allmächtigen und liebenden Gott, warum sollte Leid und Böses noch existieren?“ Eine ganz ausführliche Erklärung dieses Themas würde den hier angestrebten Rahmen sprengen, aber als grundsätzlichen Ausgangspunkt können wir sagen: In den allermeisten Fällen ist es leicht erkennbar, dass der Grund für Leid und Böses in unserer Welt die Entscheidung der Menschen eben für Böses ist. Gemäß dem christlichen Verständnis wollte Gott nie irgend etwas Schlechtes für die Menschen. Er schuf eine vollkommene Welt, in welche er den Menschen, ausgestattet mit dem freien Willen, hineinstellte. Gott respektiert die Würde des Menschen, was gerade an der Akzeptanz der schlechten Entscheidungen besonders deutlich wird. Diese Freiheit verdiente ihren Namen nicht, akzeptierte Gott beispielsweise nur die guten Entschlüsse, welche keine negativen Auswirkungen hätten. Nun aber lässt Gott auch Böses zu, ansonsten wäre der Mensch eher als Puppe zu betrachten. Es ist leider traurige Realität, dass sehr viele Menschen ihren freien Willen nicht in guter Weise gebrauchen; sie denken nicht an andere, sondern fast ausschließlich an sich selbst. Viele Leiden könnten leicht vermieden werden, wenn Menschen einander helfen und nach dem Prinzip handeln würden: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Sogar viele Krankheiten werden durch die Unverantwortlichkeit der Menschen verursacht. Auch wenn es nicht immer so offensichtlich ist, so beeinflussen wir einander in vielfältiger Weise.
Natürlich gibt es auch andere Ereignisse wie Unwetter, Überflutungen, Erdbeben u.a., welche nicht oder nicht direkt von der Menschheit verursacht werden, jedoch auch Leiden verursachen. Wir müssen uns aber bewusst machen, dass wir mit Intelligenz und vielen Fähigkeiten ausgestattet wurden, welche uns helfen können, viele schlechte Konsequenzen solcher Naturphänomene zu verhindern. Der Einsatz unseres Wissens und der Erkenntnis in vernünftiger und eben nicht in egoistischer Weise könnte uns oft besser schützen, als es heutzutage oft der Fall ist. Ein erster Schritt wäre beispielsweise, dass Menschen nicht gerade in stark gefährdeten Regionen leben sollten.
Trotzdem müssen wir zugeben, dass diese Frage sicherlich eine der schwierigsten überhaupt ist. Wir wollen auch unser Mitleid mit denen ausdrücken, welche, von schwerem Leid getroffen, diese Frage stellen. Andererseits wollen wir aber auch darauf hinweisen, dass der Mensch gerade durch Leid zu einem tieferen Verständnis des Lebens und des Zieles seiner Existenz hindurch‐ dringen kann, denn es fordert ihn förmlich dazu heraus, über den Sinn des Lebens nachzudenken. So sind sich leidende Menschen viel eher der relativen Unwichtigkeit materieller Dinge und somit der Notwendigkeit einer besseren Basis in ihrem Leben bewusst als gesunde.
3 Formulierung einiger bekannter Argumente
Thomas von Aquin formulierte die folgenden fünf Argumente, welche in ausführlicher Form in seinen Schriften zu finden sind (Summa Theologica I:2:3; Cont. Gent., I, xiii):
- Der „unbewegte Beweger“: Bewegung, wie sie im Universum stattfindet, setzt einen ruhenden Erstbeweger voraus (primum movens immobile). Dieser ist Gott. Anderenfalls bräuchten wir eine unendliche Reihe von Bewegern, was der Logik völlig widerspricht.
- Alles ist durch etwas verursacht. Verfolgen wir der Reihe der Ereignisse, die im Universum geschehen, in umgekehrter Reihenfolge und suchen die Gründe für jene, dann werden wir notwendigerweise zur Existenz einer ersten Ursache kommen, welche selbst unverursacht ist.
- Alles Existierende in der Welt entstand irgendwann einmal und wird vergehen. Keines dieser Dinge ist völlig unabhängig von anderen Dingen. Dies nennt man Kontingenz. Die Tatsache des kontingenten Universums setzt wiederum die Existenz eines notwendigen Wesens voraus, welches Gott ist.
- Die unterschiedlichen Grade der Vollkommenheit in der Welt können nur durch den Vergleich mit dem absolut Vollkommenen verstanden werden, welches Gott ist.
- Die wundervolle Ordnung und Harmonie des Universums ist Beweis für einen intelligenten Designer, welcher niemand anderer als Gott ist, der allen Dingen Sinn und Zweck zuordnet. (Man nennt dies auch das teleologische Argument.)
All diese und noch andere Sätze sind eigentlich nicht unterschiedliche und unabhängige Argumente, sondern nur verschiedene Formulierungen desselben grundsätzlichen Gedankens – der Kausalität. Der Beweis wird stets auf Grund der Tatsache geführt, dass die erwähnten Erscheinungen ohne die Annahme einer sich selbst genügenden und sich selbst erklärenden Ursache (oder Grundes oder Wesens oder Aktivität), auf welche letztlich alles bezogen ist, nicht ausreichend erklärt werden können.
3.1 Argument auf Grund der Existenz
Dieses erste Argument geht von der sehr grundsätzlichen Beobachtung aus, dass wir und das Universum existieren. Welchen Grund gibt es dafür? Wir werden versuchen, darauf in zwei verschiedenen Weisen zu antworten, die aber tatsächlich auf demselben Gedankengang fußen.
3.1.1 Das Argument von der unabhängigen Existenz
Einführung
Wenn wir „Gott“ sagen, meinen wir den Einen, der keinen Anfang und kein Ende hat, der sich nicht verändert. Sein Sein ist absolut unabhängig von allen Dingen. Ziel des folgenden Textes ist es, zu zeigen, dass ein Wesen mit jenen oben genannten Attributen existieren muss, wenn unsere Welt einen Sinn haben soll. Gottes Eigenschaften erschöpfen sich nicht in den genannten; diese sind nur sehr grundsätzlich.
Existenz als Gabe
Das nächstliegende Beispiel ist unser eigenes Leben. Einst wurden wir geboren und einst werden wir sterben. Wir leben, aber unser Leben ist abhängig von vielen Umständen. Wir entschieden uns nicht zum Leben und wir können nicht entscheiden, ob wir sterben wollen oder nicht. Es gibt auch viele Bedingungen und äußere Gründe für unsere Existenz. Mit anderen Worten: Unser Sein hat seinen Grund nicht in uns selbst. Wir sind nicht unabhängig. Fragen wir, warum wir existieren, müssen wir die Antwort außerhalb von uns suchen. Mit anderen Dingen im Universum ist es ähnlich, ja in manchen Fällen können wir Anfang und Ende direkt beobachten – Kommen und Gehen, Entstehen und Vergehen. Bei anderen Dingen stellen wir zumindest deren Veränderlichkeit fest. Alles aber, das der Veränderung unterworfen ist, ist nicht völlig unabhängig in seinem Dasein. Das „Leben“ solcher Dinge besteht aus gewissen Perioden des Kommens und Gehens. Somit schließen wir, dass nicht nur wir selbst, sondern auch alle anderen Dinge ihre Existenz von außen empfangen haben. Es handelt sich also um eine Gabe.
Universum
Kinder lernen Dinge kennen und fragen: „Warum?“, „Woher?“. Versuchen wir zu antworten, ergeben sich weitere Fragen. Es ist geradezu unmöglich, eine Antwort zu finden, die keine weiteren Fragen ergäbe. Früher oder später geben wir auf. Nun ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder existiert eine letzte Antwort, nur ist sie zu komplex, oder sie existiert im Rahmen des Universums nicht,weil dieses von „außen“ entstand. Christen glauben, dass das Letztere richtig ist. Deshalb hält man ihnen oft vor, die einfachere Lösung gewählt zu haben. Aber der Grund, diese Lösung anzunehmen, ist nicht, dass es die einfachere ist. Es ist die Tatsache, dass das Universum nicht mehr sein kann als die Dinge, die es formen, genauso wenig wie die Menschheit mehr ist als die Menschen selbst, die sie bilden. Wenn also alles im Universum seine Existenz empfangen hat, wie können wir dann vom Universum etwas anderes annehmen? Es ist doch nicht mehr als die Summe aller Dinge in ihm.
Wer ist der Geber?
Wir glauben, dass das Universum in die Existenz „gerufen“ wurde, und der dies tat, muss völlig unabhängig davon sein, auch unwandelbar und über Zeit und Raum stehend. Die Bibel spricht über Gott in dieser Weise.
Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, noch wird er von Menschenhänden bedient, als wenn er noch etwas nötig hätte, da er selbst allen Leben und Odem und alles gibt. (Apostelgeschichte 17,24–25)
Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige. (Offenbarung 1,8)
So spricht der HERR, der König Israels und sein Erlöser, der HERR der Heerscharen: Ich bin der Erste und bin der Letzte und außer mir gibt es keinen Gott. (Jesaja 44,6)
3.1.2 Das Argument von der allgemeinen Kausalität (Kontingenz)
Die Gültigkeit des Prinzips von Ursache und Wirkung (Kausalität) oder des hinreichenden Grundes ist die Basis allen logischen Denkens, auf welchem alle Wissenschaft und menschliche Erkenntnis aufbauen. Dies setzen wir im folgenden voraus. Es ist eines der vier Gesetze des Denkens (Gesetz der Identität, des Widerspruchs, vom ausgeschlossenen Dritten und des hinreichenden Grundes), welche ständig von jedermann im Alltag verwendet werden, wenngleich häufig unbewusst.
Dieses Prinzip besagt, dass alles, was existiert, einen befriedigenden Grund entweder in sich selbst oder in etwas anderem haben muss.
Theoretisch können wir zwischen zwei Kategorien des Seins unterscheiden: das absolut notwendige Sein, welches sich selbst erklärt, und das mögliche oder abhängige (kontingente) Sein, welches nur aus entsprechenden Gründen außerhalb seiner selbst erklärt werden kann. Versuchen wir nun alles uns Umgebende in eine der beiden Kategorien einzuordnen, werden wir früher oder später feststellen, dass alles zu letzterer gehört. Auf das All angewendet ergibt sich, dass, da alle Elemente des Ganzen abhängig sind, das Ganze auch so sein muss. Wir können nicht annehmen, dass Elemente, die wir als kontingent charakterisieren, nur aufgrund ihrer Verbindung miteinander dem Ganzen, das sie bilden, absolute Eigenschaften geben können. Spricht jemand also dem Universum einen absoluten, sich selbst erklärenden Charakter zu, obwohl alle Elemente des Universums abhängig sind, müssen wir dies als unlogisch verwerfen, denn das Absolute, sich selbst Erklärende kann nicht das Resultat vorheriger Prozesse oder Gründe sein. Wir können einen befriedigenden Grund für die Existenz des Universums nur außerhalb seiner selbst finden.
William Ockham, ein Philosoph des 13. Jahrhunderts, formulierte ein grundsätzliches Prinzip wissenschaftlicher Forschung, welches besagt, dass bei der Suche nach der Antwort auf ein bisher ungeklärtes Phänomen nicht mehr als die unbedingt notwendigen Annahmen verwendet werden sollen. Einige Atheisten, die diesen Satz anwenden, schließen daraus, dass die Annahme von Gottes Existenz grundlos ist, da wir ja das Universum und seine Entstehung nicht erklären können. Sie meinen, es wäre logischer, an einen sich selbst erklärenden Kosmos zu glauben. Aber gerade die Anwendung des Ockhamschen Prinzips macht es leichter und logischer, ein einziges, transzendentes Wesen, welches vollkommene Qualitäten besitzt, als Quelle allen Seins anzunehmen, als dem Universum selbst viele einzelne absolute Attribute zuzuschreiben, welche es gemäß unserer Beobachtungen gar nicht besitzt, wofür es auch nicht den leisesten Anhaltspunkt gibt. Ist es wirklich naiver und Ausdruck geringer Reife, eine unsichtbare, über allem stehende erste Ursache anzunehmen?
Warum ist es nicht widersprüchlich, zu sagen, dass alles einen vorherigen Grund hat und es trotzdem eine unverursachte erste Ursache gibt? Wenn wir sagen, dass alles einen Grund hat, denken wir an die immanenten Elemente unserer abhängigen Welt. Die erste Ursache hingegen beschreiben wir als transzendent. Der Widerspruch ergäbe sich erst, wenn wir Gott ebenfalls als dieser Welt innewohnend betrachteten.
Viele Menschen kommen ganz ohne philosophische oder theologische Begründungen zu dem Gedanken, dass der Kosmos eine letztendliche Ursache haben muss. Das Problem ist dann eher, wie man diese nennen soll. Für nicht wenige ist dies dann wiederum völlig unerheblich. Oft hören wir die Leute von der „uralten Materie“, dem „Atom“, dem „Absoluten“, der „Idee“, dem „Geist“ oder „Etwas“ oder „Jemand“ sprechen. Einige dieser „Vorschläge“ kann man wegen der Bedeutung der Begriffe leicht als falsch bezeichnen. Im Falle der Materie ist dies beispielsweise so, da ja gemäß unserer Erfahrung alles Materielle abhängig ist und eben zu unserer kontingenten Welt gehört und wir deshalb auch annehmen müssen, dass die „letztendliche Ursache“ weit über jeder Veränderlichkeit und Vergänglichkeit steht.
Oft werden auch die Grenzen der Evolutionstheorie entgegen ihrem Zweck sehr weit ausgedehnt. Jene Theorie kann aber niemals den letztendlichen Grund unserer Welt erklären, da sie sich selbst nur mit der Entwicklung existierender Dinge beschäftigt, jedoch nicht mit dem Sprung von Nichtexistenz zu Existenz.
Andere, welche schon das „geistliche Wesen“ der ersten Ursache annehmen, leugnen aber deren personalen Charakter. Die Erfahrung unserer eigenen „geistlichen Natur“ zeigt uns aber, dass sie sich durch Intelligenz, den freien Willen und die Fähigkeit, zu lieben und selbstlose Beziehungen zu anderen zu bauen, auszeichnet. Bezeichnen wir uns als Personen, schließen wir gerade diese Dinge mit ein. Greifen wir nun auf einen der vorher genannten Gedanken zurück, nämlich dass die Eigenschaften der absoluten und ersten Ursache denen der abhängigen Elemente nicht nachstehen können, sondern sie im Gegenteil bei weitem übertreffen müssen, folgt daraus, dass jene erste Ursache auf wesentlich höherem Niveau als dem der unpersönlichen Existenz stehen muss.
Der Begriff Person aber wird oft trivialisiert und dadurch missverstanden. Auch trennen wir ihn üblicherweise nicht von den bestimmten Grenzen menschlichen Seins, von Raum und Zeit, von den Schranken der Kommunikation und der Fähigkeiten. Aber Gott ist diesen Grenzen natürlich nicht unterworfen. Wenden wir also „Person“ auf Gott an, so meinen wir, dass er zu persönlicher Beziehung und zum Dialog mit seinen intelligenten Geschöpfen fähig ist. Deshalb muss er auch Intelligenz, freien Willen und Selbst‐Bewusstsein besitzen.
Deshalb ist die Existenz einer intelligenten und freien ersten Ursache, eines persönlichen Gottes, welcher sowohl über der materiellen Welt als auch dem menschlichen Geist steht, eine absolute Notwendigkeit.
Alle Denkansätze, welche nicht von der Existenz des unabhängigen und persönlichen Schöpfers ausgehen, sondern das Bestehen der Welt auf innere Gründe zurückführen, indem sie der Materie, dem Geist oder irgendetwas anderem aus dieser Welt Selbstexistenz (d.h. ohne vorherige Gründe existierend; in sich selbst notwendig) zuschreiben, kann man als verschiedene Formen eines indirekten „Pantheismus“ bezeichnen. Diese Denkweise führt aber zu widersprüchlicher Begriffsverwendung, sie vermischt Ursache und Wirkung, das Notwendige mit dem Möglichen, das Endliche mit dem Unendlichen. Bei vielen resultiert daraus eine pessimistische, hoffnungslose oder mindestens gleichgültige Einstellung zum Leben und der Welt, denn wenn die Welt so ist, dann sind Bosheit und alles Schlechte ewige und unvermeidliche Notwendigkeiten. Ersetzt der Mensch Gott durch etwas anderes, verliert er letztlich den richtigen Blick für seine Werte, die Persönlichkeit, die Verantwortlichkeit, die Überzeugungen des gesunden Menschenverstandes und damit auch das rechte Motiv für gutes Handeln.
Derjenige aber, der die Existenz des persönlichen und liebenden Gottes annimmt, hat dadurch die Möglichkeit, den Ausweg aus dem pessimistisch‐hoffnungslosen Denken zu erkennen, denn die erwähnten negativen Dinge gehören nicht zu Gottes unabhängigen und vollkommenen Wesen. So kann der Mensch auch sich selbst bezüglich seines eigenen Beitrags zur Entwicklung der Welt beurteilen, anstatt das Wesen der Welt dafür verantwortlich zu machen.
3.2 Das Argument vom Plan oder Design (Teleologisches Argument)
Kant schrieb in einem seiner frühen Werke:
Dieser Beweis verdient jederzeit mit Achtung genannt zu werden. Er ist der älteste, klarste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten angemessene. … Ob wir aber gleich wider die Vernunftmäßigkeit und Nützlichkeit dieses Verfahrens nichts einzuwenden, sondern es vielmehr zu empfehlen und aufzumuntern haben …1
Dieses Argument basiert auf einer sehr grundsätzlichen und offensichtlichen Beobachtung von Menschen aller Zeiten:
3.2.1 In der Natur herrschen Ordnung und Harmonie
Wo immer wir auch hinsehen: Wir finden eine sehr komplexe und gut passende Ordnung vor; gerade auch in unserer Umgebung. Wir sehen eine erstaunliche Einheit und Übereinstimmung in der Natur. Das gesamte Universum ist ein aus streng aufeinander abgestimmten und verbundenen Teilen bestehendes komplexes System, welches genauen Gesetzmäßigkeiten folgt.
Es würde den Rahmen sprengen, alle Gebiete aufzulisten, in welchen die Wissenschaft Beweise für die Regelmäßigkeit, die Ordnung und Harmonie liefert. Es gibt andere Bücher (oder sagen wir eher Bibliotheken), die dies tun. Wer sich damit auseinandersetzt, erkennt dies im entfernten Makrokosmos, in den unglaublichen Prozessen im Mikrokosmos, in den komplizierten Strukturen der organischen und anorganischen Materie, den Zellen, dem Bienentanz, dem Flug der Vögel, der Beschaffenheit des menschlichen Auges, dem Zusammenspiel der Organe …
Selbst wenn man die Welt aus einer anderen Perspektive betrachtet, wenn man Unvollkommenheit, Disharmonie, Kampf, Naturkatastrophen sieht, sodass Menschen vom sogenannten evolutionären Prinzip sprechen – nämlich dass die Natur von einem grausamen Überlebenskampf beherrscht wird, in dem eine Entwicklung nur durch die Unterdrückung der Schwachen möglich ist – muss man auf der anderen Seite doch sehen: Gleichmäßigkeit, Ordnung und Harmonie sind gegenwärtig, Leben und Mensch finden besten Schutz, selbst unter schwierigsten Bedingungen.
3.2.2 Das Design des Universums kann man weder durch Zufall noch durch die Naturgesetze erklären. Die “ Zufälle“ sind „zufällig“ gut aufeinander abgestimmt, zu gut für Zufälle.
Zufall ist keine Erklärung, sondern im Gegenteil der Verzicht darauf. Wissenschaftler erklären Naturphänomene durch die Annahme, dass bestimmten Wirkungen bestimmte Ursachen vorausgehen. Es gibt keinen Grund, die Richtigkeit der Anwendung dieses Prinzips bei den bisher gelösten Fragen in Zweifel zu ziehen. Viele Fragen jedoch harren noch einer Lösung, sind aber sicherlich komplexer und verlangen dadurch auch komplexere Antworten. Warum sollten wir diesen logischen Schluss verwerfen und stattdessen Zufall und Chaos annehmen?
Gibt die Evolutionstheorie eine zufriedenstellende Antwort?
Viele Menschen, auch Wissenschaftler, meinen, die Evolutionstheorie erkläre die Entwicklung des Universums und des Lebens und „ersetze“ somit Gott. Andererseits gibt es aber auch nicht wenige ernst zu nehmende Wissenschaftler, welche bezeugen, dass das Gegenteil der Fall sei. Denn selbst vom evolutionistischen Standpunkt aus zeigt der Kosmos keine Unordnung, sondern ein phantastisches Design, welches jeden ehrlichen Forscher in demütiges Staunen versetzt: dass doch alles trotz so vieler Hindernisse und solch großer Lücken zwischen den verschiedenen Schritten so gut eingestellt ist, dass sogar die Krone der Evolution erreicht werden konnte – das Leben und besonders der Mensch, der dieses alles noch bewusst bewundern kann. Ist nicht selbst das eher ein klarer Beweis für höchst intelligentes Design?
Von William Paley stammt der Gedanke, dass der Mann, der zufällig eine Uhr findet, richtigerweise auf die Existenz des Uhrmachers schließt. Voltaire resümiert:
Wenn die Uhr die Existenz eines Uhrmachers beweist, das Universum jedoch nicht die Existenz eines großen Architekten, dann stimme ich zu, ein Narr genannt zu werden.
Wenn nun jemand eine vollautomatische Fabrik vorfindet, die ohne jeden Eingriff des Menschen Uhren herstellt, wird er nicht denken, dass das alles von einer höheren Intelligenz entworfen wurde? In ähnlicher Weise werden wissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien niemals zeigen, dass alles sich selbst erklärt. Sie werden vielmehr immer deutlicher machen, wie wundervoll diese Welt ist und wie gut alles zusammenpasst, was doch einen überaus intelligenten, überweltlichen Schöpfer erfordert.
In Wahrheit liefert uns die derzeitige Evolutionstheorie weder eine befriedigende Antwort auf die Frage nach der offensichtlich zweckmäßigen Entwicklung – zumal weiterhin große Lücken in der angeblichen Entwicklungskette klaffen – noch kann sie irgendeinen Grund für die Entstehung des Alls, des Lebens, der Arten und des menschlichen Geistes angeben oder auch nur erahnen. Auch wenn viele Menschen meinen, dies wäre nur eine Frage der Zeit, und hoffen, irgendwann einmal doch auf alles eine Antwort geben zu können, gibt es sehr starke Gründe, dies zu bezweifeln. Denn selbst die beste wissenschaftliche Erklärung oder die umfassendste, allgemeinste Theorie erklärte immer noch nicht, warum die Naturgesetze gerade so sind, wie sie sind und warum alles so geschah, wie es eben geschah. Die Wissenschaft kann wohl viele Details im Kosmos verstehen, sie kann jedoch Fragen außerhalb dieses Rahmens nicht erfassen.
3.2.3 Der Plan des Universums kann völlig befriedigend durch die Annahme eines intelligenten, überweltlichen Planers erklärt werden. Daran können wir glauben und dies macht andere Erklärungsversuche überflüssig.
Die Erscheinungen der Natur besitzen keine Intelligenz in sich selbst; wir können auch nicht über beabsichtigtes Handeln bei ihnen sprechen. Dieses lässt sich nur durch die Kontrolle eines weisen Wesens erklären, welches einen freien Willen besitzt. Dieses Argument beweist noch nicht absolut die Unendlichkeit und Vollkommenheit des Planers, zeigt aber zumindest, dass dieser über dem Kosmos steht und ein überlegener Geist ist, welcher allem Zweck und Ziel zuordnet. Wir können sogar etwas von diesem Ziel erahnen, wenn wir unseren freien Willen und unsere Liebesfähigkeit betrachten.
Science can only be created by those who are thoroughly imbued with the aspiration toward truth and understanding. This source of feeling, however, springs from the sphere of religion. To this there also belongs the faith in the possibility that the regulations valid for the world of existence are rational, that is, comprehensible to reason. I cannot conceive of a genuine scientist without that profound faith. The situation may be expressed by an image: science without religion is lame, religion without science is blind.2
3.3 Argumente für Gottes Existenz aufgrund der Natur des Menschen
Die folgenden Gedanken beruhen auf von uns allen erfahrbaren Realitäten im Zusammenhang mit unserem Menschsein. Wir wollen daran erinnern, dass unsere tiefsten Absichten und Sehnsüchte auf ein letztendliches Ziel hinweisen, welches alles zur Erfüllung bringen kann. Wir erleben unser Leben als ein ständiges Suchen. Jedes irdische Ziel aber kann uns bestenfalls vorübergehende Erfüllung schenken. Dieser Umstand erklärt sich am besten, wenn wir ein letztendliches Ziel annehmen. Erreicht der Mensch dieses nicht, können ihm auch die „provisorischen“, d.h. irdischen Ziele keine Erfüllung geben. Deshalb nehmen wir auch an, dass dieses letztendliche Ziel außerhalb dieser Welt liegt.
3.3.1 Ziel des Lebens, Freude, Verlangen nach Erfüllung
Jeder Mensch streckt sich jeden Tag nach Dingen aus, die er für wichtig hält. Jugendliche streben nach Erfolg beim Studium, Erwachsene wollen genug Geld verdienen, um für sich und die Familie sorgen zu können. Einige investieren viel Zeit und Energie, um die Wissenschaft voranzubringen, oder wollen sich für das Wohl der Gesellschaft auf anderen Gebieten einsetzen. Das sind alles gute Dinge, doch was ist ihr letztendlicher Sinn? Obwohl die Menschen davon ausgefüllt sein können und Zeiten der Freude daran erleben, können diese Dinge weder völlige Erfüllung noch Sicherheit bieten. Ein Erdbeben kann in einem Augenblick alles, was ein Mensch in vielen Jahren aufbaute, zerstören. Der Tod eines geliebten Menschen kann jemanden in Depressionen stürzen. Es gibt unzählige Fälle, in denen der Mensch mit der Endlichkeit seines Lebens und der irdischen Dinge konfrontiert wird.
Manche meinen, Unterhaltung, Belustigung und Vergnügen wären der eigentliche Sinn im Leben; doch jeder ehrliche Mensch erkennt, dass dieses Denken und dieser Lebensstil ins Leere und zum Verlust der wirklichen Werte im Leben führt. Diese Ideologie bietet den besten Nährboden für Lasterhaftigkeit, Zügellosigkeit und Aggressivität. Dies ist mit Sicherheit ein Irrweg.
Jedermann besäße gern einen festen Grund, auf dem er jederzeit den richtigen Halt fände. Welcher kann das sein? Jesus Christus sagt:
Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motten und Rost fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen …
Auch wenn jemand diesen Jesus nicht als Gottes Sohn betrachten kann, kann er doch sehen, dass dieses Wort sehr gut zur Wirklichkeit passt. Wie viele Menschen, die immens reich und obendrein noch berühmt waren, begingen Selbstmord? Wie viele setzten ihr Hoffnung auf andere Menschen und wurden zu Wracks, nachdem sie von jenen bitter enttäuscht wurden? Was überhaupt kann der Mensch in dieser Welt finden, das ihm völlige Sicherheit geben könnte? Wer kann befriedigende, gute Antworten auf die größten Fragen der Menschheit geben? Jesus setzt seine Aussage fort:
… sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. … Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere dazu gegeben werden. (Matthäus 6,19–34)
Jeder Mensch hat einen gewissen Wunsch, das Ziel seines Lebens zu finden. Wenn auch viele dies verdrängen wollen, scheinen die Menschen doch Erfüllung, Freude und Liebe zu suchen. Diejenigen, die ihr Ziel nicht finden versinken in sich selbst. Somit ist das Verlangen nach Fülle ein natürliches menschliches Bedürfnis, welches aber logischer – und praktischerweise unmöglich zu befriedigen wäre, wenn es nicht etwas oder jemand gäbe, das oder der diese Fülle in sich selbst besitzt. Da, so weit wir wissen, der Mensch das Wesen mit dem höchsten Entwicklungsgrad im Kosmos ist, können wir von vornherein eine Erfüllung durch materielle Dinge ausschließen, da diese geringeren Niveaus sind. Natürlich können wir an anderen Menschen oder auch an Dingen Freude finden. Diese Freude kann von ihrem Wesen her aber nur provisorisch und nicht umfassend sein, denn selbst Menschen können mir diese letztendliche Fülle nicht geben, da sie auf gleicher Stufe wie ich stehen und mit den gleichen Nöten kämpfen wie ich. Jedes Suchen nach dauerhafter Erfüllung in diesen materiellen Dingen oder Menschen ist ein fataler Selbstbetrug. Dagegen ist die Existenz eines absoluten Wesens, welches alle Bedürfnisse des Menschen zu erfüllen vermag, eine grundsätzliche Notwendigkeit für das Leben.
3.3.2 Das generelle Bedürfnis des Menschen nach Liebesbeziehung
Gemäß der Sozialphilosophie (z. B. Martin Bubers) ist Beziehung, d.h. Offenheit und Liebe zu anderen Menschen, ein Grundbedürfnis des Menschen. Liebe ist der tiefste Ausdruck des Wesens unserer Persönlichkeit. Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen. Er kann alle Möglichkeiten seiner Natur nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere nutzen. Dafür ist die Beziehung „ich und du“ unabdingbar. Vor allem unser Sehnen nach dem anderen und die Hingabe an ihn formt in uns den Sinn für Verantwortung und richtiger Einschätzung des anderen und uns selbst. Indem wir in Beziehung mit dem anderen treten, erlangen wir Selbstreflexion, Selbstbeurteilung, Selbstbewusstsein. Da wir Gemeinschaft mit anderen brauchen, sind Selbstgenügsamkeit und Zurückgezogenheit die größten Hindernisse in der Persönlichkeitsentwicklung. Selbstsucht dient mir nur scheinbar, denn wenn ich die Bedürfnisse des anderen nicht beachte, wenn ich nicht lerne, zugunsten des anderen zu verzichten, wenn ich grundsätzlich misstrauisch bin, dann isoliere ich mich selbst und finde nicht, was ich doch in gewisser Weise suche: Erfüllung meiner selbst. Wer also für sich selbst lebt oder Macht über andere gewinnen will, kann nicht frei sein, denn nur dem anderen zu dienen kann befreien. Nur durch Hingabe finden wir Zufriedenheit in unserem Leben.
Doch sieht der Mensch immer seine Grenzen, dass er vollkommene Liebe weder empfangen noch geben kann. Wir erfahren ständig, dass unsere Fähigkeit, den anderen mit all seinen Nöten und Eigenheiten zu lieben, sehr begrenzt ist. Oft übersteigt die dafür nötige Kraft unser Vermögen. Dies ist auch wichtig zu erkennen, damit wir den anderen nie als ein Werkzeug zur Erfüllung unserer eigenen Wünsche betrachten. Auch endet die Liebe, die wir von einem anderen Menschen empfangen, spätestens mit dessen Tod. Deshalb kann unser natürliches Bedürfnis, vollkommene und ewige Liebe zu empfangen, nur von einem ewigen, vollkommenen Wesen erfüllt werden, das selbst Quelle unerschöpflicher Liebe ist. Je näher jemand dieser Quelle ist, um so fähiger wird er, zu lieben, wie er von ihr empfängt. Wenn jemand davon erfüllt ist, wird er auch andere vollkommen lieben können.
3.3.3 Der Wunsch nach Gerechtigkeit
Jeder hat ein natürliches Gerechtigkeitsempfinden. Dies wird leicht sichtbar durch die Tatsache, dass die schlechten, bösen Taten von anderen, von „Feinden“, sehr streng beurteilt werden. Wir sind unseren „Feinden“ gegenüber üblicherweise viel sensibler als gegen uns selbst. So haben selbst sehr egoistische Menschen den ( durchaus berechtigten) Wunsch, gerecht behandelt zu werden.
Nun wollen Evolutionisten dieses Phänomen als Resultat des gemeinschaftlichen Lebens der Spezies „Mensch“ erklären, da es im Kollektiv von Vorteil sei, gerecht zu sein. Aber erstens kann sich der Gerechtigkeitssinn nicht einfach „entwickeln“. Da gibt es eigentlich nicht ein Mehr oder Weniger. Es scheint auch wenig sinnvoll anzunehmen, dass sich die Menschheit in einem frühen Stadium dafür entschied, gerecht zu sein, was dann in der Folge auf die Nachkommen übertragen wurde. Solche Erscheinungen können nicht vererbt werden, sondern jeder Einzelne muss sich entscheiden, gerecht zu sein. Zweitens ist Gerechtigkeit keine Frage des Vorteils für mich oder andere. Eine gerechte Tat geschieht nicht aus Berechnung. Wie kann nun unser Wunsch nach Gerechtigkeit erfüllt werden?
In unserer Welt gab es immer viel Ungerechtigkeit und es wäre unrealistisch zu denken, dies würde sich völlig ändern. Auch der Kampf mancher Politiker, Humanisten oder religiöser Menschen um Gerechtigkeit befriedigt uns nicht, da immer nur eine bruchstückhafte Gerechtigkeit erstrebt und erreicht wird. Wirklich allumfassende Gerechtigkeit, die darüber hinaus für alle gültig ist, ist auf dieser Welt nicht zu finden. Ist nun also dieses Verlangen nur eine sinnlose, weil nie erfüllbare, Eigenschaft des Menschen oder ist es nicht gerade ein Hinweis auf ein transzendentes Wesen, welches dies für immer gewähren kann?
3.3.4 Schönheit und Harmonie
Wenn der Grund für das Entstehen des Kosmos und des Menschen nur in der Abfolge bestimmter extrem selten vorkommender Ereignisse läge, woher kämen dann Schönheit und Harmonie? Warum besitzt der Mensch Eigenschaften und Fähigkeiten, welche vom Standpunkt des Überlebenskampfes und der Erhaltung der Art völlig unnötig sind? Woher kommen künstlerische Gaben, Dichtkunst und Musik? Wenn das Leben letztlich doch nur ein grausamer Kampf ums Überleben wäre, warum sind dann solche Dinge entstanden und warum haben sie überlebt?
Ein Kind, das gern und hervorragend malte, setzte sich eines Tages in sein Zimmer und begann, eine schöne Landschaft zu malen. Nachdem es viele Stunden mit Pinsel, Leinwand und Farben umgegangen war, wurde es müde, ging nach draußen, erblickte den Himmel und die Bäume und rief spontan: „Oh ja, dies ist viel schöner als was ich male oder je malen werde. Wer ist nur der Maler all dieser Dinge?“
Der Mensch hat einen natürlichen Wunsch nach Schönheit, welche das Vollkommene, das Ideale widerspiegelt. Schön ist, was dem Vollkommenen, dem Idealen nahe kommt. Der Rhythmus der Proportionen, Linien, Farben, Klänge hat keinen materiellen oder biologischen Wert in sich, und selbst wenn es damit verbunden wäre, lieben wir all das doch aus anderen Gründen. Wir freuen uns, Schönes zu sehen, weil es uns der unendlichen Schönheit näher bringt, welche wir uns wünschen und die wir lieben. Wir mögen es, das Wellenspiel am Meer oder die hohen Berge zu sehen, denn es lässt uns etwas von Größe, Unendlichkeit, Majestät erahnen. Die anziehende Kraft der Schönheit leitet uns zur unendlichen Quelle der Vollkommenheit, bei der unser Verlangen gestillt werden kann.
Die Expedition, welche von Ralph Solecki von der Columbia University geleitet wurde und in die zerklüftete Landschaft des Zagross‐Gebirges führte, grub 1960 in der Shanidar‐Höhle die Knochen eines vor 60.000 Jahren verstorbenen Neandertalers aus. Seine Begräbnisstätte war in besonderer Weise bereitet: Er ruhte auf einem aus Bündeln hölzerner Schachtelhalmzweige hergestellten Bett. Girlanden aus Schafgarbe, Stockrosen, Hyazinthen, Kornblumen und anderen Blumen waren um die Füße des Bettes gewoben. Solecki schrieb über dieses Blumenbegräbnis:
Plötzlich wurden wir gewahr, dass die Vielseitigkeit der Menschheit und die Liebe zur Schönheit weit über die Grenzen unserer eigenen Spezies reichen. … Wir können nicht länger leugnen, dass die frühen Menschen die volle Bandbreite menschlicher Gefühle und Erfahrungen hatten.3
Hier soll nur angemerkt werden, dass die Frage, ob der Neandertaler eine eigene Art oder eine Unterart des Homo sapiens ist, wissenschaftlich umstritten ist.
3.3.5 Die Moral (Das Argument aufgrund des Gewissens)
Warum gibt es die Moral und ein generelles Verlangen nach Gutem im Menschen? Warum gibt es das Gewissen?
Es gibt ein objektives moralisches Gesetz
Auch wenn manche Menschen sich dessen nicht bewusst sind und andere es bewusst nicht zugeben, dass es ein universales moralisches Gesetz gibt, stimmt doch jeder einigen grundsätzlichen moralischen Prinzipien zu, die für uns sowohl als Individuen als auch für die Gesellschaft notwendig sind. Zwar ist es richtig, dass es immer gewisse Unterschiede bezüglich dieser Prinzipien gab; die Übereinstimmungen waren aber allezeit wesentlich größer. Wenn jemand die moralischen Lehren verschiedener Kulturen und Epochen vergleicht, wird er die weitgehenden Ähnlichkeiten zwischen diesen und mit unserem heutigen Verständnis feststellen.
C. S. Lewis beweist in seinem Buch „The Abolition of Man“, dass die alten Ägypter, Babylonier, Hindus, Chinesen, Griechen und Römer sehr ähnliche moralische Ansichten hatten. Keine dieser Kulturen verehrte verräterische, betrügerische oder selbstsüchtige Menschen. Es gab unterschiedliche Ansichten bezüglich der Anzahl von Ehefrauen, doch nie wurde Ehebruch glorifiziert oder als Tugend betrachtet. Nirgendwo war Mord erlaubt, ja nicht einmal unter Kannibalen darf man einfach töten, wen man will. Die Tatsache, dass eines der vorrangigsten Ziele der Nazis die Ausrottung bestimmter Völker war, zeigt nicht, dass auch dies ein Teil des natürlichen Gesetzes ist. Vielmehr deutet die doch ziemlich einhellige Verurteilung dieses Massenmordes auf eine „höhere“ Wahrheit hin, der wir alle unterworfen sind und nach der wir alle gerichtet werden.
Schauen wir uns die Entwicklung dieses inneren Gesetzes in einem Menschen an. Diese Entwicklung des Gewissens ist von Kindheit an beobachtbar. Sie wird von verschiedenen Dingen (wie Umwelt und Erziehung) beeinflusst, von denen aber die persönliche Entscheidung am stärksten zu Buche schlägt. Der Mensch ist fähig, sein Gewissen zu leugnen, und jede solche Entscheidung „bearbeitet“ sein inneres Gesetz. Damit beeinflusst er aber auch, auf welche Dinge und in welchem Maße das Gewissen reagiert. Dies ist der Hauptgrund für die Unterschiede in der Weise, wie Menschen moralisch‐ethisch beurteilen und nicht, wie immer stärker behauptet wird, das Fehlen eines allgemeinen Ausgangspunktes. Diese Reinheit des Gewissens existiert und wird bestimmt von dem moralischen Gesetz in uns. Jedermann erfährt den verpflichtenden Charakter der Stimme dieses inneren Gesetzes. Wenn der Mensch nicht danach handelt, so weiß er doch, „wie es sein sollte“, „was gut wäre“ oder „wie es gut gewesen wäre“. Diese inneren Warnungen haben höhere Autorität, weil sie mir das Richtige vor Augen führen, selbst wenn ich es mir nicht gefällt. Die Beurteilung durch die Stimme des Gewissens ist vor, während und nach unseren Taten gegenwärtig, indem sie uns anklagt oder auch rechtfertigt. Dieser unbedingt verpflichtende Charakter dient unserer Erziehung. Wir werden in unseren subjektiven Abweichungen, die wir durch unsere schlechten Motive und Entscheidungen hervorbringen, korrigiert und zur objektiven Reinheit und dem höchsten Gut zurückgeführt – vorausgesetzt wir wollen das. Durch diese Aufgabe zeigt sich, dass sein Ursprung außerhalb von uns liegt und wir zu diesem Ursprung, der absoluten Wahrheit und Objektivität, geführt werden sollen, auch wenn sich das persönliche Gewissen im Laufe der Zeit auf Grund der oben genannten Umstände ändert.
Was kann die Quelle des objektiven moralischen Gesetzes sein?
Kann das Gewissen nur das Produkt unserer Erziehung und der Umwelteinflüsse sein? Wäre dem so, müsste unsere moralische Orientierung notwendigerweise immer von der unserer Eltern bestimmt sein, da dies sicher der größte aller Einflüsse ist. Aber die Kinder denken und handeln bei weitem nicht immer wie ihre Eltern. Glücklicherweise können wir auch unter den Jugendlichen der modernen Gesellschaft einige sehen, die nicht den verschiedenen Formen der Morallosigkeit zum Opfer fallen, sondern diesem Irrweg zu entkommen suchen. Dies wäre unmöglich, wenn das Gewissen nur das Resultat der jeweiligen Familien – und Gesellschaftssituation wäre. Damit wollen wir nicht deren Einfluss auf das Gewissen leugnen, sondern zeigen, dass diese Art von Herkunftserklärung eine unsachliche Vereinfachung einer komplizierten Frage ist.
Wir wollen hier gar nicht auf die materialistischen Erklärungsversuche für die Herkunft der inneren Stimme eingehen. Es sei genug, auf die grundsätzlichen Meinungen von Nobelpreisträgern und anderen Experten auf diesem Gebiet zu verweisen, die die enorme Lücke sehr wohl erkennen, die zwischen dem menschlichen Gewissen einerseits und selbst den höchsten Formen von Instinktkombinationen in der Tierwelt andererseits klafft. Da dieser riesige Unterschied nicht einfach eine Sache verschiedener Entwicklungsgrade derselben Eigenschaften, sondern einzigartig neuer Qualitäten ist, muss die Lösung der Herkunftsfrage anderswo gesucht werden. Einige Zitate berühmter Wissenschaftler haben wir gesondert unter Wissenschaftler über den Geist aufgeführt.
Wenn nun die Herkunft und das Wesen des moralischen Gesetzes weder durch evolutionäre Prozesse der materiellen Welt noch durch individuelle und gesellschaftliche Einflüsse gleich welcher Art erklärt werden kann, muss es eine Quelle außerhalb dieser Welt haben. Diese Quelle ist sozusagen der „Gesetzgeber“, der von seinem Wesen her in vollkommener Übereinstimmung mit den Gesetzen ist, die er gibt. Diesen vollkommenen, höchsten und personalen Gesetzgeber nennen wir Gott.
Weitere auf der Moral fußende Argumente
In der Spätphase seines Lebens verwarf Immanuel Kant die traditionellen Gottesbeweise und betrachtete die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele nicht mehr als Dinge der Vernunft, sondern des Glaubens, da sie auf die Sinneswahrnehmung beschränkt seien. Er wollte nur noch das Argument der Moral gelten lassen und dies auch in anderer Weise, als es oben ausgeführt ist, nämlich dass das Ziel aller Menschen vollkommenes Glück sei und dass demzufolge ein jeder das „summum bonum“ (das höchste Gut) suchen solle, indem er dem Gesetz der Moral gehorsam sei. Der endliche Mensch jedoch kann nicht erfüllendes Glück allein durch einen hochmoralischen Lebensstil finden; deshalb ist die Existenz Gottes, der uns nach dem Tod mit Vollkommenheit belohnt, eine Notwendigkeit.
Das Argument von der Verdammung in Peter Bergers „A Rumor Of Angels“ kann man zurecht die negative Version des Beweises anhand der Moral nennen. Der Grundgedanke liefert gute Denkanstöße (wenngleich eine positive Grundeinstellung beim Leser vorausgesetzt wird), nämlich dass jeder erhalten muss, was er verdient. Demgemäß können die unsagbaren Grausamkeiten, die durch Sklaverei, Völkermord, Holocaust usw. verübt wurden, nicht einfach durch irdische Strafen „aufgewogen“ werden. Es müsse also eine übernatürliche Verdammung geben, sonst gäbe es keine wirkliche Gerechtigkeit.
3.3.6 Der freie Wille des Menschen
Freiheit des Willens bedeutet Denken und Handeln aufgrund eigenen Ermessens gemäß der Eigenverantwortlichkeit ohne äußeren Zwang. Wir können sagen, dass die Freiheit der Gedanken und Entscheidungen durch kein moralisches, biologisches, chemisches oder physikalisches Gesetz bestimmt wird und somit durch keine Formel beschrieben werden kann. Im Gegensatz zur sonstigen Materie, deren „Handeln“ ja immer gemäß der ihr gegebenen Bestimmungen geschieht, ist der Mensch fähig, aus einer Fülle von Möglichkeiten heraus seine eigenen, bewussten Entscheidungen zu fällen. Er kann seine Fähigkeiten entwickeln und sogar gezielt gegen seine Instinkte, Eigenheiten und Veranlagungen handeln. Darüber hinaus vermag er sich die materielle Welt sowohl in guter wie auch in schlechter Weise dienstbar zu machen. Selbst Eingriffe in die Gesetze der Natur sind ihm nicht unmöglich, freilich oft mit verheerenden Folgen. All dies zeigt in überdeutlicher Weise, dass die Eigenschaften menschlicher Intelligenz und menschlichen Willens in völligem Gegensatz zur Charakteristik der Materie stehen. Dies wiederum macht es offensichtlich, dass der Grund für die Entstehung der Willensfreiheit nicht der Materie innewohnen kann, die doch völlig unfähig ist, vernünftig und zweckorientiert aus sich selbst heraus zu handeln. Der Urheber der Intelligenz und des Willens muss diese Eigenschaften selbst besitzen und auch fähig sein, sie weiterzugeben. Das schließt notwendigerweise seine Personenhaftigkeit ein, da diese Eigenschaften nur mit Personen verbunden werden können.
3.3.7 Der Dynamismus des Menschen (Sehnsucht nach Unendlichkeit)
Erscheinungen von gewisser Bewusstheit in der Tierwelt sind immer das Resultat innerer und äußerer Informationen des Augenblicks. Das Leben und das Interesse der Tiere werden ganz bestimmt und erfüllt durch den Rahmen, in dem sie sich bewegen. Das menschliche Selbstbewusstsein aber wird nicht nur durch Instinkte oder Informationen von außen hervorgerufen, was man an einer ganzen Reihe von geistigen Aktivitäten sehen kann.
Das Leben des Menschen ist durch die unbegrenzte Offenheit und Freiheit der Erkenntnis und des Strebens gekennzeichnet. Er interessiert sich nicht nur für das gerade Anstehende seines eigenen Alltags, sondern er hat grundlegende Fragen, ja gerade auch bezüglich des „Woher und Wohin“ seiner selbst und der existierenden Welt überhaupt. Fragen wie „Woher kommt die Welt?“, „Was ist die Wahrheit und kann ich sie finden?“ und „Worin liegt der Sinn unseres Daseins?“ zeigen, dass der menschliche Geist bestrebt ist, die Totalität des unendlichen Seins zu verstehen. Er übersteigt damit die irdische Sinnes‐ und Begriffswelt und will das Sein an sich erfassen. Dem Menschen ist das Verlangen gegeben, aus den Grenzen von Raum und Zeit auszubrechen. Er kann im Geist (d.h. in Gedanken) an jedem beliebigen Punkt von Zeit und Raum dieser Welt sein, was auch zeigt, dass dieser Geist nicht nur von Materie abhängig ist. Diese geistigen Aktivitäten sowie deren intellektuelle Ausrichtung und Motivation gehen weit über das Maß unserer endlichen Welt hinaus; sie sind auf eine unendliche und vollkommene Wirklichkeit ausgerichtet.
Diese ganz natürliche Fähigkeit, dieses Streben des Menschen muss ein Ziel, ein Objekt außerhalb unserer Sinneserfahrungswelt haben, sonst wäre all dies grund‐ und sinnlos. Wie könnte der Mensch auch überhaupt Endlichkeit und Unvollkommenheit erkennen, wenn Unendlichkeit und Vollkommenheit gar nicht existierten?
3.3.8 Der Wunsch nach Unsterblichkeit
Das Leben ist eine große Überraschung. Ich verstehe nicht, warum der Tod nicht eine noch viel größere sein sollte. – Vladimir Nabokov
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, welches sich seines Todes bewusst ist. Der Wunsch nach Unsterblichkeit ist zumindest so alt wie die menschliche Zivilisation. Schon in den frühesten Kulturen rüsteten die Menschen ihre Toten für das Leben in der anderen Welt aus. Zwar hatten die verschiedenen Stämme und Völker unterschiedliche Begräbnisriten, doch reflektieren all diese einen Glauben an die Existenz nach dem Tod. Es ist daher folgerichtig anzunehmen, dass dieser Glaube sehr eng mit dem Wesen des Menschen verbunden ist und es dafür wirkliche Gründe gibt. Dass heute viele Menschen die Vorstellung einer Auslöschung so leicht akzeptieren, hängt eher mit wenig Nachdenken als mit tiefer Überzeugung zusammen. Nehmen wir dagegen die Existenz der unsterblichen Seele an, so kann diese nie das Produkt evolutionärer Prozesse sein (welche nur zu mehr oder weniger kurzlebigen Dingen führen), sondern wir setzen damit einen unsterblichen Schöpfer voraus.
3.3.9 Das Argument aufgrund der allgemeinen Übereinstimmung
Die Vorstellung der Existenz einer Art übergeordneter Autorität – das bedeutet Religiosität – hat nachweislich die Geschichte der Menschheit über Jahrtausende, von der frühesten Zeit bis heute, begleitet. Der Glaube an Gott konnte von vielen radikalen sozialen, kulturellen oder ideologischen Veränderungen weder widerlegt noch abgeschafft werden. Wie konnte eine absolut grundlose und irreale Annahme trotz all dieser Wandlungen überleben?
Leider gab es zu jeder Zeit mannigfaltige Formen völlig entstellter Religiosität und des Aberglaubens. Viele Völker akzeptierten Polytheismus, Dualismus, Pantheismus und andere irrige Vorstellungen. All diese Erscheinungen aber widerlegen nicht das Argument der allgemeinen Übereinstimmung, denn hierbei geht es nicht darum, wie das genaue Verständnis der Gottheit und des Glaubens der verschiedenen Völker ist, sondern dass es einen allgemeinen Glauben an die Existenz eines oder mehrerer überweltlicher Wesen gibt, von dem oder denen die materielle Welt einschließlich der Menschheit abhängig ist. Selbst wenn also Menschen ihre Erkenntnis verdrehten, kann doch die allgemeine, sich im Keim befindliche Wahrheit ihrer Vorstellungen nicht anders erklärt werden, als dass es sich um den Konsens des natürlichen, gesunden Menschenverstandes aufgrund der vorhandenen Beweise handelt.
Obwohl es zahlreiche Erklärungen für die Herkunft und die weltweite Verbreitung der Religion gibt, stimmen Anthropologen und Philosophen bezüglich des o.g. Konsenses der Menschheit überein. Zudem gibt es einige positive Gründe für die Annahme, dass die ursprüngliche Religion der Menschen eine Art Monotheismus war, welcher dann im Verlauf der Geschichte immer wieder dem Verfall ausgesetzt war. Aber auch wenn dieser Ausgangspunkt in vielen Fällen sehr im Dunkel liegt, konnte doch der Kern der ursprünglichen Wahrheit nicht völlig unkenntlich gemacht werden.
Dies kann man im Falle des Atheismus überhaupt nicht sagen. Die Geschichte beweist, dass die atheistische Philosophie eine „moderne Errungenschaft“ ist, welche nicht als charakteristisch für die menschliche Gesellschaft gelten kann, sondern eher als eine abnormale Reaktion relativ weniger Menschen gewertet werden muss. In gegenwärtiger Form ist der Atheismus eng verknüpft mit der plötzlichen und intensiven Verbesserung der Kenntnisse über die Natur durch die Wissenschaft im letzten Jahrhundert. Trotz der wirklich beachtlichen Ergebnisse dieser Zeit muss doch ehrlicherweise anerkannt werden, dass die größten Fragen des Lebens noch offen sind.
Aus den Schriften vieler sogenannter Atheisten der Antike können wir eher deren Ablehnung des (auch damals vorhandenen) Missbrauchs der Religion und ihr Eintreten für die Vernunft erkennen, als dass sie sich gegen die Existenz der Gottheit richteten. In den Fällen, in denen ihre Gedanken wohlbegründet und auf höhere Ziele wie z. B. das Aufdecken der Wahrheit oder das Erstreben eines besseren Lebens ausgerichtet waren, betrachten wir es als eine bewundernswerte Tugend, dass die Nonkonformisten nicht dem Zeitgeist und den Ansichten der großen Mehrheit folgten. Das ist aber nicht der Fall des Atheismus, viele Beispiele zeigen eher das Gegenteil. Daher können weder die antiken noch die modernen Gegner der Religion den Glauben entwurzeln, welcher so tief in des Menschen Herz verankert ist.
3.3.10 Was sagen Wissenschaftler über den menschlichen Geist? Ist er ein Resultat der Evolution der Materie?
Thomas Henry Huxley, ein Freund Darwins, schrieb 1863:
No one is more strongly convinced than I am of the vastness of the gulf between … man and brutes … for, he alone possesses the marvelous endowment of intelligible and rational speech [and] … stands raised upon it as on a mountain top, far above the level of his humble fellows, and transfigured from his grosser nature by reflecting, here and there, a ray from the infinite source of truth.4
Einige materialistische Wissenschaftler versuchen, die höchsten geistigen Prozesse, so auch das Selbstbewusstsein und das Bewusstsein, als Ergebnisse biochemischer Prozesse zu erklären. Man nennt sie daher auch Reduktionisten, da sie die gesamte Wirklichkeit auf die Ebene der materiellen Prozesse reduzieren. Viele andere Wissenschaftler gehören dieser Kategorie nicht an, denn sie erkennen die Grenzen der Wissenschaft und sprechen z. B. vom „Wunder und Geheimnis des menschlichen Selbst mit seinen spirituellen Werten, seiner schöpferischen Kraft und der Einzigartigkeit, mit der es jeden Einzelnen von uns begabt“, wie es hier John C. Eccles, Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger, tut.5 Er verwirft den materialistischen Reduktionismus und hält in Zusammenarbeit mit dem Philosophen Karl Popper an der dualistischen Interaktionismus‐Theorie fest, welche besagt, dass das Ich das Gehirn steuert, während beide in enger Interaktion aneinander arbeiten.
Das anthropische Prinzip erreicht in der Tatsache, dass jeder von uns zu einem einmaligen selbstbewussten Wesen wird, eine neue Dimension. Diese Transzendenz war das Motiv meines Lebenswerkes, das in dem Bemühen gipfelt, das Gehirn zu verstehen, um das Geist‐Gehirn‐Problem wissenschaftlich darstellen zu können. Ich bleibe dabei, dass das Mysterium des Menschen vom wissenschaftlichen Reduktionismus in unglaublicher Weise herabgewürdigt wird, wenn er beansprucht und verspricht, die gesamte spirituelle Welt letzten Endes auf materialistische Weise mit Mustern neuronaler Aktivität erklären zu können. Dieser Glaube muss als ein Aberglaube betrachtet werden.6
Er sieht keine Spannung zwischen seiner wissenschaftlichen Arbeit und dem Glauben an eine der Wissenschaft unzugängliche geistliche Realität:
Da unsere erlebte Einmaligkeit mit materialistischen „Lösungsvorschlägen nicht zu erklären ist, bin ich gezwungen, die Einmaligkeit des Selbst oder der Seele auf eine übernatürliche spirituelle Schöpfung zurückzuführen. Um es theologisch auszudrücken: Jede Seele ist eine neue göttliche Schöpfung…7
Wir möchten mit der Feststellung schließen, dass die biologische Evolution sich selbst transzendiert, indem sie mit dem menschlichen Gehirn die materielle Basis für selbstbewusste Wesen schafft, deren Natur es ist, nach Hoffnung zu streben und nach Sinn zu forschen auf der Suche nach Liebe, Wahrheit und Schönheit.8
Ich drücke hier meine Bemühungen aus, ein Selbst – mein Selbst – als erfahrendes Wesen zu verstehen. Ich spreche davon in der Hoffnung, dass wir menschlichen Ichs einen verwandelnden Glauben an den Sinn und die Bedeutung dieses wundervollen Abenteuers finden mögen, das jedem von uns auf dieser heilsamen Erde beschieden ist und auf der wir alle über ein wunderbares Gehirn verfügen, das uns gehört, um es zu steuern und zu gebrauchen für unser Gedächtnis, für unsere Freude und Kreativität und mit Zuneigung für andere menschliche Wesen.9
John Eccles Meinung über den Tod ist folgende:
Den Tod des Körpers und des Gehirns können wir als Auflösung unserer dualistischen Existenz betrachten. Die befreite Seele wird, so ist zu hoffen, eine andere Zukunft finden, mit einem noch tieferen Sinn und noch berückenderen Erfahrungen, vielleicht in einer neuen körperlichen Existenz, … in Übereinstimmung mit der traditionellen christlichen Lehre.10
Was ist das Bewusstwein? Ist es nicht mehr als Chemie, bloße Funktion einiger molekularer Strukturen des Gehirns, wer ist dann das „Ich“, welches doch die Wirklichkeit erfährt? John Searle, ein moderner Philosoph, schreibt dazu:
I’m conscious, I AM conscious. We could discover all kinds of startling things about ourselve and our behaviour; but we cannot discover that we do not have minds, that they do not contain conscious, subjective, intentionalistic mental states; nor could we discover that we do not at least try to engage in voluntary, free, intentional actions.11
Descartes, häufig als Vater der modernen Philosophie bezeichnet, meint, wir wissen um die Existenz des Geistes wegen unserer direkten Erfahrung, so wie wir durch Beobachtung und Vernunft auch das Dasein der Materie erfahren. „Ich denke, darum bin ich“. Er dachte ferner, dass es in einer gewissen Einheit des Individuums eine ständige Interaktion zwischen Körper und Geist gäbe.
Auch lehrt mich die Natur durch jene Gefühle des Schmerzes, des Hungers, des Durstes u.s.w., dass ich nicht blos, wie der Schiffer in dem Schiffe, in meinem Körper gegenwärtig bin, sondern dass ich mit ihm auf das Engste verbunden und gleichsam gemischt bin, so dass ich eine Einheit mit ihm bilde. Denn sonst würde ich, der ich nur ein denkendes Wesen bin, bei Verletzungen meines Körpers keinen Schmerz fühlen, sondern nur im reinen Wissen diese Verletzung bemerken, wie der Schiffer durch das Gesicht bemerkt, wenn etwas im Schiff zerbricht.12
Die Descartessche dualistische Sicht wurde im 20. Jahrhundert durch einige Wissenschaftler und Philosophen fortgeführt und weiterentwickelt. Der Neurowissenschaftler und Nobelpreisträger C.S. Sherrington legte die Grundlagen für das Verständnis der Funktionsweise des Gehirns. Einer seiner wichtigsten Schüler, der kanadische Neurochirurg Wilder Penfield, begann seine Studien des Gehirns als Materialist, kam später aber zu folgender Sicht:
It is easier to rationalize man„s being on the basis of two elements than on the basis of one.13
Wir wollen nicht in die Details der verschiedenen Geist‐Theorien eintauchen, aber doch herausstreichen, dass wirkliche Wissenschaft die geistlichen Qualitäten des Menschen nicht verleugnet, wie es jedoch durch die materialistisch – reduktionistische Vorstellung geschieht, wie auch Roger W. Sperry (Nobelpreisträger) beobachtete:
Before science, man used to think himself a free agent possessing free will. Science gives us, instead, causal determinism wherein every act is seen to follow inevitably from preceding patterns of brain excitation. Where we used to see purpose and meaning in human behaviour, science now shows us a complex bio‐physical machine composed entirely of material elements, all of which obey inexorably the universal laws of physics and chemistry.… I find that my own conceptual working model of the brain leads to inferences that are in direct disagreement with many of the foregoing; especially I must take issue with that whole general materialistic‐reductionist conception of human nature and mind that seems to emerge from the currently prevailing objective analytic approach in the brain‐behaviour sciences. When we are led to favour the implications of modern materialism in opposition to older, more idealistic values in these and related matters, I suspect that science may have sold society and itself a somewhat questionable bill of goods.14
4 Gültigkeit und Ziel der Argumente für Gott
Warum sollen wir uns überhaupt mit Argumenten beschäftigen, wenn Gottes Existenz sowieso nur eine Sache des Glaubens ist?
Bei der Beschäftigung mit Argumenten für Gottes Existenz ergeben sich drei große Fragen: deren Gültigkeit (oder die Kraft der Beweise), deren Methode (wie werden die Beweise geführt) und deren Ziel (wozu helfen sie).
4.1 Wie gültig sind diese Beweise?
Alle erwähnten Beweise wurden und werden auf unterschiedlichste Weise von vielen Philosophen bestritten, wir aber sehen es genau wie Paulus, der tief von der Offensichtlichkeit der Existenz Gottes überzeugt war:
Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt, so dass sie keine Entschuldigung haben. (Röm.1,19–20)
Dieser grundsätzliche Gedanke von der Erkennbarkeit des Unsichtbaren anhand der sichtbar geschaffenen Welt ist in allen Kulturen zu finden, bei den Denkern des Altertums genauso wie bei modernen Wissenschaftlern. Wir behaupten nicht, Gottes Existenz mathematisch herleiten oder demonstrieren zu können, sondern dass man sie aus dem Geschaffenen durch das natürliche Licht des menschlichen Verstandes mit Sicherheit wissen kann. Vielleicht können wir sagen, dass die Beweise einen hohen Grad von Klarheit besitzen, der Zweifel auszuräumen vermag, selbst wenn deren anschauliche Herleitung nicht logisch zwingend ist.
Diese Beweise zwingen niemanden, sie annehmen zu müssen, der freie Wille wird gewahrt. Mathematisch‐wissenschaftliche Beweise gehen immer von gewissen Axiomen und Postulaten aus, deren Logik durch einen allgemeinen Konsens unter den auf diesem Gebiet arbeitenden Menschen akzeptiert wird. Im Falle metaphysischer Beweisführung spielen persönliche Bedingungen, einen Inhalt zu erfassen, wie auch das Verhältnis zu den Beweisen selbst eine Rolle. Deshalb hängt die Überzeugungskraft der Argumente sehr von der persönlichen Einstellung, der Mentalität, den Neigungen und der Erziehung eines jeden ab. Wichtigste Bedingung aber ist die persönliche Offenheit und Bereitschaft, das eigene Denken und Leben zu prüfen.
4.2 Die Methoden
Von den verschiedenen Argumentationsweisen verwendeten wir nur den induktiven (a posteriori) Beweis, welcher von verschiedenen Aspekten des Seins ausgeht (der kontingenten Welt in ihrer Existenz und ihren Eigenschaften oder von unserer menschlichen Erfahrung) und dann hinauf zu Gott als erster Ursache führt.
Nicht erwähnt wurde bisher die sogenannte deduktive (a priori) Methode, welche von der Vorstellung bzw. Ahnung über Gott ausgeht und auf seine wirkliche Existenz schließt (wie es beispielsweise Anselm, Descartes und Leibnitz taten). Diese Argumentationsweise wird von vielen abgelehnt, hier hängt alles noch mehr davon ab, ob man eine gewisse Vorkenntnis über Gott annimmt.
Allerdings sind bis zu einem gewissen Grad in unseren Ausführungen beide Methoden miteinander verbunden, indem wir einige Gottesvorstellungen vorwegnehmen, um dann sein Dasein induktiv zu beweisen. Wir können ja nicht nach dem suchen, was uns völlig unbekannt ist. Andererseits besteht natürlich die Gefahr, das zu beweisen, was man bereits vorausgesetzt hat.
4.3 Worin besteht das Ziel der Argumente?
Wozu brauchen wir diese Argumente überhaupt und wofür wollen wir sie verwenden? Welchen Gewinn tragen wir bei diesen geistig so aufwendigen und vielleicht auch anstrengenden Methoden davon? Tatsächlich liefern sie uns weder die ganze noch die höchste Erkenntnis Gottes. Um gläubig zu werden, muss man nicht fähig sein, einen Beweis führen zu können, noch viel weniger ist es nötig, Wissenschaftler oder Philosoph zu sein, um Gottes Existenz zu verstehen. Wir verwenden jedoch einige rationale Erklärungen, um verständlich zu machen, dass unser Glaube nicht im Widerspruch zu wissenschaftlichen oder philosophischen Herangehensweisen auf diesem Gebiet steht. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Weltanschauungen ist es sehr hilfreich, hier klar Stellung zu beziehen. Wir gründen daher unseren Glauben nicht auf wissenschaftliche oder metaphysische Kenntnis, wollen aber unseren Verstand und unsere intellektuellen Fähigkeiten bei der Suche nach Antworten bezüglich der Existenz und des Wesens unseres Schöpfers nutzen. Wenn wir also seine Spuren in der Natur und sein Bild im Menschen finden, so hilft uns das, Ihn besser kennen zu lernen und die Beziehung zu Ihm zu stärken.
Denn als ich umherging und eure Heiligtümer betrachtete, fand ich auch einen Altar, an dem die Aufschrift war: Einem unbekannten Gott. Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch.
Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, auch wird er nicht von Menschenhänden bedient, als wenn er noch etwas nötig hätte, da er selbst allen Leben und Odem und alles gibt.
Und er hat aus einem jede Nation der Menschen gemacht, dass sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, wobei er festgesetzte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmt hat, dass sie Gott suchen, ob sie ihn vielleicht tastend fühlen und finden möchten, obwohl er ja nicht fern ist von jedem von uns.
Denn in ihm leben und weben und sind wir, wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: Denn wir sind auch sein Geschlecht.
Da wir nun Gottes Geschlecht sind, sollen wir nicht meinen, dass das Göttliche dem Gold und Silber oder Stein, einem Gebilde der Kunst und der Erfindung des Menschen, gleich sei.
Nachdem nun Gott die Zeiten der Unwissenheit übersehen hat, gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle überall Buße tun sollen, weil er einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und er hat allen dadurch den Beweis gegeben, dass er ihn auferweckt hat aus den Toten. (Apostelgeschichte 17,23–31)
5 Schlussbemerkungen
Wie wir bereits eingangs sagten, sind alle aufgeführten Argumente keine absoluten Beiweise für Gottes Existenz. Unsere Absicht ist es dennoch zu zeigen, dass diese Frage nicht mit den üblichen Einwänden verdrängt werden sollte. Denen, die ehrlich und ernsthaft suchen, wollen wir helfen zu erkennen, dass entgegen der landläufigen Meinung die Frage nach dem Dasein Gottes unserer Natur sehr nahe liegt. In den meisten Fällen sind nicht fehlende Argumente, sondern der Unwille, sich mit den Schlussfolgerungen auseinander zu setzen und Erfahrungen zu machen, das wirkliche Hindernis, Gott anzunehmen.
Gott wirklich akzeptieren bedeutet, auch die Beziehung, die er anbietet, anzunehmen. Dies schließt die Bereitschaft ein, ihn kennen zu lernen, ihm Zeit und Ohr zu widmen und das Leben gemäß seines Planes ohne Vorbehalte zu ändern. Dies bedeutet andererseits auch, alles zurückzuweisen, was ihm missfällt, auf alles zu verzichten, was verhindert, ihn zu finden. Oft sehen die Menschen nur die Forderung nach Verzicht als Wesensmerkmal der Beziehung zu Gott und übersehen dabei, dass wir gerade auf die Dinge verzichten sollen, die uns am Finden eines erfüllten Lebens hindern, das uns ja nur der Schöpfer des Lebens geben kann.
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden. Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewönne, aber sein Leben einbüßte? Oder was wird ein Mensch als Lösegeld geben für sein Leben? (Matthäus 16,25–26)
Unterwerft euch nun Gott! Widersteht aber dem Teufel! Und er wird von euch fliehen. Naht euch Gott! Und er wird sich euch nahen. Säubert die Hände, ihr Sünder, und reinigt die Herzen, ihr Wankelmütigen. (Jakobus 4, 7–8)
… Gott will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen … (1. Timotheus 2,4)
Sein Wille ist „… dass sie Gott suchen, ob sie ihn vielleicht tastend fühlen und finden möchten, obwohl er ja nicht fern ist von jedem von uns. Denn in ihm leben und weben und sind wir wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: Denn wir sind auch sein Geschlecht.“ (Apostelgeschichte 17,27–28)
… ja, wenn du den Verstand anrufst, zum Verständnis erhebst deine Stimme, wenn du es suchst wie Silber und wie Schätzen ihm nachspürst, dann wirst du verstehen die Furcht des Herrn und die Erkenntnis Gottes gewinnen. Denn der Herr gibt Weisheit. Aus seinem Mund kommen Erkenntnis und Verständnis. (Sprichwörter 2,3–6)
Bittet und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch geöffnet werden. Denn jeder Bittende empfängt, und der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird geöffnet werden. (Matthäus 7, 7–8)
Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. (Matthäus 11,28)
Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen, und er mit mir. (Offenbarung 3,20)
- Kritik der reinen Vernunft, I. Transzendentale Elementarlehre, Zweiter Teil, Zweite Abteilung, Zweites Buch, Drittes Hauptstück, Sechster Abschnitt. ↩
- A. Einstein: Science, Philosophy, and Religion: A Symposium, 1941. ↩
- Science 190/1975. ↩
- T. H. Huxley from Nature’s Economy. Ch. 9. Donald Worster. Cambridge 1985. ↩
- John C. Eccles, Wie das Selbst sein Gehirn steuert, 1994, Seite 255 ↩
- John C. Eccles, Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst, 1994, S. 388 und 389. ↩
- John C. Eccles, Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst, 1994, S. 381. ↩
- John C. Eccles, Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst, 1994, S. 391. ↩
- John C. Eccles, Wie das Selbst sein Gehirn steuert, 1994, S. 262. ↩
- John C. Eccles, Die Evolution des Gehirns – die Erschaffung des Selbst, 1994, S. 391. ↩
- John Searle, Minds, Brains and Science, 1984. ↩
- René Descartes, Meditations, 1641. http://www.zeno.org/Philosophie/M/Descartes,+Ren%C3%A9/Untersuchungen+%C3%BCber+die+Grundlagen+der+Philosophie/6.+Ueber+das+Dasein+der+k%C3%B6rperlichen+Dinge+und+den+wirklichen+Unterschied+der+Seele+vom+K%C3%B6rper ↩
- Wilder Penfield, The Mystery of the Mind, 1975. ↩
- Sperry, Roger W., „Mind, Brain, and Humanist Values“, Bulletin of the Atomic Scientists, September, 1966, S. 2–3. ↩